Als morgens mein Wecker klingelt, weiß ich für einen Moment nicht wo ich bin. Das Bett fühlte sich nicht an wie gewöhnlich und das Gedudel konnte unmöglich von meinem Handy kommen. Nachdem ich mir den Schlaf aus den Augen gerieben habe weiß ich wieder was los ist. Gestern haben wir nur bis kurz vor 23:00 Uhr gearbeitet. Da keiner von uns in den letzten Wochen abends besonders viel Zeit hatte um etwas mit Freunden zu machen sind wir danach noch in eine Bar gegangen. Merkwürdig wenn man an einem Samstag etwas trinken kann ohne über Prostitution sprechen zu müssen. Nachts gibt es keine Busse und wir waren soweit im Norden, dass mich eine Taxifahrt gute 25.000 Pesos gekostet hätte. Das Angebot in der Wohnung einer Kollegin zu übernachten nahm ich ohne Umschweife dankbar an. Ich bin nicht grad mit Geld gesegnet in diesen Tagen.
Jetzt lag ich also im Bett ihres kleinen Bruders. Er war übers Wochenende irgendwo in Kolumbien unterwegs. Wo genau und warum hatte ich nicht verstanden.
Als ich den Wecker ausschalten will sehe ich, dass es tatsächlich mein Handy ist. Es ist neu. Mein Altes wurde mir vor 3 Tagen oder besser Nächten geklaut. Auf der Suche nach Minderjährigen, Ausländern oder anderem, das irgendwie von Interesse sein konnte war es spät geworden. Wir wollten grad nach Hause. Auf dem Weg zur Septima* kam uns ein Paar entgegen. Beide höchstens Siebzehn. Plötzlich hielt mir der Junge mit zitternder Hand ein Messer vors Gesicht. Ich war nicht allein, sondern in weiblicher Begleitung. Nicht wissend wie schnell meine Partnerin laufen konnte zog ich es vor ruhig zu bleiben. 25 Sekunden später, um zwei Handys und 30.000 Pesos erleichtert waren wir wieder allein.
Ich hatte mich grad an meine Weckermelodie gewöhnt.
Als ich nun endgültig wach bin steh' ich auf um das Badezimmer zu suchen. Hübsche Wohnung. Aus der Küche weht mir der Geruch von Waffeln, heißem Kaffee und Rührei entgegen. Kurze Zeit später sitze ich frisch geduscht an einem großen Glastisch, durch das Fenster strahlt die Sonne und aus den kleinen IPod-Boxen dringt die Musik von Manu Chao. Das Leben ist so angenehm.
Als wir gehen fällt mir die ungewöhnliche Form und Größe des Haustürschlüssels auf. Ich frage was es damit auf sich hat und erhalte eine knappe Erklärung. Die Haustür hat ein Sicherheitsschloss und ist ohne Schlüssel oder Gewalt nicht zu öffnen.
Als wir das Tor passieren um auf die ruhige Staße zu treten erkundige ich mich naiv, ob die Wachen vor dem Eingang für die etwa 50 Appartments nicht ausreichen. In diesem Land geben manche Menschen ihre Stimme einem Präsidentschaftskandidaten für ein warmes Mittagessen. Da kann man auch private Security für etwas bezahlen. Das genügt mir als Antwort. In dem Moment erinnere ich mich, dass man für meine Tür zwei Schlüssel simultan benutzen muss. Trotz der Wachen vor dem Tor.
Auf dem kurzen Weg zur Boyacá** werden wir zweimal nach Kleingeld gefragt. Beim ersten Mal gebe ich etwas. Beim zweiten Mal habe ich keine Münzen mehr.
Als ich schließlich im Bus nach Hause sitze, spüre ich den warmen Wind auf meiner Haut. Ich betrachte gedankenverloren das Bild auf meinem Wechselgeld und denke an das neue Handy und die 2 Schlüssel in meiner Tasche.
Es sind die ganzen kleinen Dinge, die die wirklich großen Unterschiede machen.
* eine der Hauptverkehrsstraßen im Osten Bogotás die von Norden nach Süden verläuft
** viel befahrene Straße im Westen der Stadt, verläuft in Nord-Süd Richtung
Sonntag, 9. Mai 2010
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