Da wir im Rahmen der "welwärts" Förderung einige Berichte verfassen müssen und diese vielleicht nicht nur für das BMZ interessant sind, möchte ich an dieser Stelle den ersten von drei Zwischenberichten veröffentlichen. Er bietet nicht besonders viel Stoff zum Nachdenken und ist auch nicht gespickt von kleinen Anekdoten, stellt aber vielleicht eine interessante Zusammenfassung der letzten drei Monate dar.
Vor etwa drei Monaten, in der Zeit kurz vor meiner Ausreise versuchte ich mich stets daran zu erinnern meine Erwartungen nicht zu hoch zu stecken. Da die Projektbeschreibung der Fundación Renacer mehr als dürftig war wusste ich nur grob was meine Aufgabe für das nächste Jahr sein sollte. Ich ging davon aus mich mit der Betreuung von einigen Kindern abfinden zu müssen. Nicht das, was ich wollte aber mit Sicherheit das Gebiet, in dem ich in den letzten Jahren in Deutschland eine Menge Erfahrung gesammelt hatte. Außerdem hoffte ich meine Spanischkenntnisse schnell soweit auszubauen, dass eine Unterhaltung mit Einheimischen möglich ist.
In den ersten Wochen und Monaten kommt mir als Ausgleich zum fehlenden Spanisch die gewissenhafte Vorbereitung des ICJA (Entsendeorganisation) zugute. Vor allem von theoretischen Einheiten, zum Beispiel über das Eisbergmodell der Kulturen (nach Robert Kohls), konnte ich profitieren. Missverständnisse möglichst schnell aus dem Weg zu räumen oder versuchen den anderen zu verstehen, ohne sich auf den selben kulturellen Hintergrund berufen zu können, waren unter anderem die größten Herausforderungen in diesen Tagen.
Nach Beendigung des Spanischstunden wusste ich immerhin mehr als Nichts. Von meinem Ziel war ich allerdings noch sehr weit entfernt.
Anschließend sollte es mit der Arbeit in den Projekten losgehen. Meine Erwartungen waren äußerst gering und das Interesse ein weiteres Jahr mit Kinder und Jugendlichen zu arbeiten hielt sich deutlich in Grenzen. Nicht, dass es keinen Spaß macht aber ich dachte mir, es wäre doch eigentlich mal an der Zeit etwas anderes kennen zu lernen. In meinen ersten Tagen in der Fundación Renacer wurde mir schnell klar warum die Projektbeschreibung so dürftig war. Es gab einfach zu viel über das man hätte berichten können. Die Fundación Renacer hat es sich seit 1988 zur Aufgabe gemacht kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen in ganz Kolumbien zu bekämpfen. Zu den drei großen Aufgabenbereichen gehören: Prävention (z.B. Aufklärung von Touristen in beliebten Urlaubszielen), umfassende Betreuung der Opfer (z.B. Heimunterbringung und Therapie) und Untersuchung des Sachverhaltes (z.B. allg. Untersuchungen zu Opferzahlen oder auch konkretes wie: auf welche Art geschieht Kontaktaufnahme, in welchen Clubs und Bars findet Prostitution von Minderjährigen statt,...).
Z. Z. werden verschiedene Programme in den Städten Bogotá, Cartagena, Barranquilla und Arauca entwickelt und durchgeführt. Bei der Fülle an verschiedenen Aufgabenbereichen und Projekten ist es schwer auf einer A4-Seite konkret zu werden.
Im Grunde kann ich sagen, dass die Fundación mich mit offenen Armen empfangen hat. Auch wenn ich mich nur langsam auf diese offenen Arme zubewegen wollte. Die Idee war, dass ich die ersten drei Wochen in einem Heim zur permanenten Unterbringung von minderjährigen Opfern arbeitete. Hier gab es eine andere Freiwillige die mich in die Arbeit einführen konnte. Zudem schätze ich die Möglichkeit drei weitere Wochen zum Ausbau meiner Sprachkenntnisse zu haben bevor es ernst werden sollte.
Die Arbeit in diesen Wochen war weniger interessant. Das hingegen, was mir die Kindern erzählen konnten weckte meine Aufmerksamkeit. Ich war viel damit beschäftigt einfach nur an Talleres (Unterrichtseinheit zur Vermittlung von Sach- und Orientierungswissen) teilzunehmen und grundlegende Abläufe kennen zu lernen.
Im Anschluss an diese Wochen begann ich meine eigentliche Arbeit im Ambulatorio. Hier leben die Kindern nicht ständig sondern kommen nur tagsüber um an Talleres teilzunehmen, zu essen und nicht den Risiken ihres Wohnviertels oder der Straße ausgesetzt zu sein. Die Koordinatorin ist eine fähige Frau, die mich innerhalb kürzester Zeit in die Tagesabläufe einzubinden wusste. Meine Aufgaben waren es Talleres zu begleiten oder selbst durchzuführen. Da mein Interesse mich immer wieder dazu anhielt nach weiteren Herausforderungen zu suchen, fragte ich in welchen Bereichen ich außerdem tätig werden könnte. Neben den Workshops bin ich nun für alles verantwortlich, was mit den täglichen Finanzen des Ambulatorio verbunden ist (Abrechnungen schreiben, Bargeld auszahlen, …), besuche die Kinder, die länger nicht mehr da waren einmal wöchentlich in ihren Wohnungen um mit ihnen zu reden und werde außerdem immer stärker in andere administrative Aufgaben eingebunden (wie z.B. das Verwalten und Aktualisieren der Akten der Kinder oder die Dokumentation persönlicher Entwicklungen).
Zur Zeit habe ich das Glück in einem zeitlich begrenzten Projekt mitzuarbeiten, das in Zusammenarbeit mit der Fundación Esperanza und der Unterstützung der kolumbianischen Regierung versucht Sextourismus mit minderjährigen Opfern in Bogotá zu untersuchen. Meine Aufgabe ist es hierbei verdeckt Clubs und Bars aufzusuchen um mit den Jugendlichen, Informanten, Zuhältern oder Touristen Befragungen durchzuführen. Natürlich nicht mit der Absicht meine Identität oder wahren Absichten preiszugeben. Das Team mit dem ich arbeite ist sehr professionell und es macht Spaß neue Methoden in der Praxis kennenzulernen.
Zurückblickend auf die letzten Monate muss ich sagen, dass die Arbeit in der Fundación Renacer deutlich interessanter und vielfältiger ist, als das von mir erwartete und glücklicherweise nicht eingetretene Aufpassen auf Kinder und Jugendliche.
Neben der Arbeit durfte ich natürlich auch jede Menge spannende Erfahrungen machen. Zum Beispiel, dass Familie anders ist als in Deutschland. Die meisten Kinder leben hier bis sie etwa 30 Jahre alt sind bei ihren Eltern. Das kann manchmal deutlich anstrengender sein als das WG-Leben gleich nach dem Abi. Außerdem reicht mein Spanisch mittlerweile aus, um eine normale Unterhaltung zu führen. Da fällt es deutlich leichter in den kolumbianischen Alltag neben Arbeit und Familie einzutauchen.
Was schade war, ist die Tatsache, dass viele von uns Ausländern und davon will ich mich nicht ausschließen, mit einem falschen Bild nach Kolumbien gekommen sind. Dieses Land hat in seiner Gesamtheit sicher gravierendere Probleme als andere Staaten in Südamerika aber eine Stadt wie Bogotá ist deshalb nicht gefährlicher als Sao Paulo oder Buenos Aires. Der Großteil der Menschen ist freundlich und zeigt ehrliches Interesse an mir als Person und nicht nur an meiner Brieftasche. Natürlich gibt es Viertel, in denen man vor allem Nachts nicht unbedingt allein durch die Straßen gehen sollte aber in den Medien wird ein deutlich übertriebenes Bild gezeichnet. Ein Glück, das ich die Möglichkeit hatte dies mit der Wirklichkeit in Übereinstimmung zu bringen.
Was schade war, ist die Tatsache, dass viele von uns Ausländern und davon will ich mich nicht ausschließen, mit einem falschen Bild nach Kolumbien gekommen sind. Dieses Land hat in seiner Gesamtheit sicher gravierendere Probleme als andere Staaten in Südamerika aber eine Stadt wie Bogotá ist deshalb nicht gefährlicher als Sao Paulo oder Buenos Aires. Der Großteil der Menschen ist freundlich und zeigt ehrliches Interesse an mir als Person und nicht nur an meiner Brieftasche. Natürlich gibt es Viertel, in denen man vor allem Nachts nicht unbedingt allein durch die Straßen gehen sollte aber in den Medien wird ein deutlich übertriebenes Bild gezeichnet. Ein Glück, das ich die Möglichkeit hatte dies mit der Wirklichkeit in Übereinstimmung zu bringen.