Nachdem der Zielort bestimmt wurde werden als erstes die Frauen losgeschickt. Observation von außen. Wird das Etablissement von Ausländern frequentiert? Wie alt sind die Angestellten? Nicht einfach eine unscheinbare Tür für bis zu 2 Stunden im Auge zu behalten. Wenn die ersten Daten gesammelt wurden wird abgewägt, lohnt es sich das zweite Team loszuschicken oder wäre das eine Verschwendung von Ressourcen. Geld aber vor allem Zeit ist knapp. Nach einer positiven Antwort machen der Ausländer und sein kolumbianischer Partner sich auf den Weg. Manchmal bezahlen die beiden bis zu 60.000 Eintritt, dazu mindestens ein Getränk um nicht aufzufallen. 110.000 Pesos* und 5 Minuten später fragt der Kolumbianer nach den Mädchen. Die Jüngeren bitte. Der Ausländer ist selber jung, ca. 20 Jahre und seit drei Wochen in Kolumbien, macht Urlaub. Er spricht kein Wort Spanisch. Die Kommunikation läuft ausschließlich in Englisch. Der Kolumbianer übersetzt was Angestellte oder die Frauen sagen.
Selten können die beiden unbefangen reden. Das Risiko, dass eine der Bediensteten Englisch versteht ist zu groß. Also wird übersetzt was der Ausländer schon weiß. Sein Spanisch reicht nach fast drei Monaten Kolumbien um einer Konversation zu folgen.
Wenn sich die augenscheinlich Jüngste zu den Beiden gesetzt hat fängt man an zu reden. Woher sie kommt. Wie lang sie schon hier ist. Stellt Fragen über das Etablissement und webt geschickt einige Fakten über die eigene Person ein. Bei Niemandem soll der Anschein erweckt werden eine Befragung durchzuführen. Es ist eine lockere, entspannte Konversation zwischen einer Dienstleisterin und einem möglichen Kunden. Für beide Seiten ist die Situation vollkommen normal. Wenn die Unterhaltung gut läuft fragt der Ausländer ob das Mädchen auch etwas trinken will. Der Kolumbianer übersetzt. Die beiden wollen Zeit gewinnen. Sich möglichst lang dort aufhalten und mit verschiedenen Personen reden. Alles ohne aufzufallen.
Eine halbe Stunde später geht der Ausländer zusammen mit dem Kolumbianer. Ohne Begleitung. Die beiden haben genug gehört und gesehen um sich ein Bild zu machen.
Kontakt zu Nordamerikanern oder Europäern aufzunehmen ist an diesen Orten nicht möglich. Wenn man die Wahl hat mit 30 hübschen Frauen oder einem fetten Ausländer zu reden mutet es merkwürdig an sich für letzteres zu entscheiden. Niemand kommt an diese Orte um mit anderen Männern zu reden.
Für die Befragung von Nicht-Kolumbianern sind die Bars besser geeignet. Das Vorgehen hier ist anders. Nachdem man langsam durch die Straßen geschlendert ist und eine Bar mit vielen Ausländern entdeckt hat stellt man sich davor. Der Kolumbianer raucht eine Zigarette, sein Partner wartet mit ihm. Nebenbei lässt man den Blick über die Tische schweifen. Wo sitzen männliche Ausländer, nicht Schwule, an die nähert man sich anders, ohne Begleitung. Nachdem ein Ort ausgemacht wurde geht der Ausländer meist vor, der Kolumbianer hält sich im Hintergrund. Heilfroh nach 3 Wochen mal wieder jemanden zu treffen, der nicht Kolumbianischen Ursprungs ist werden die neuen Freunde auf einen Drink eingeladen.
Man führt wieder eine lockere Unterhaltung. Diesmal auf Englisch und ohne das Ziel sich ein Bild vom Alter des Gegenüber zu machen. Man will über anderes Reden. Angefangen mit Reisen und Touristenatraktionen, übergeleitet zur Bevölkerung, insbesondere den Frauen endet man beim Thema Prostitution. Der Ausländer hat soetwas noch nie gemacht, würde aber gern und stellt neugierig jede Menge Fragen. Die Kontakaufnahme, Bezahlung, sexuell übertragbare Krankheiten, Arten des Geschlechtsverkehrs, noch bestehende Bindungen mit insbesondere Minderjahrigen und andere Themen werden angesprochen. Mit der Absicht den Gegenüber aus der eigenen Erfahrung erzählen zu lassen, treibt man die Unterhaltung immer weiter voran. Eine ganze Weile danach, wenn nichts mehr von Interesse aus den Gesprächspartnern herauszubekommen ist, verabschiedet man sich und geht.
Zum nächsten Zielort.
Später in der Nacht wird alles schriftlich dokumentiert. Manchmal hören sich die beiden die heimlich aufgenommenen Unterhaltungen nochmal an. Um nichts zu vergessen.
Die gesammelten Informationen werden im Anschluß an eine Regierungsorganisation weitergegeben. Die versucht auf dieser Grundlage neue Wege zur Bekämpfung von Sextourismus speziell mit minderjährigen Opfern zu finden.
*110.000 Kolumbianische Pesos sind etwa 40-45 Euro
Der Titel ist Spanisch und bedeutet "Straßenteam". Als Teil meiner Arbeit für die Fundación Renacer bin ich seit einigen Tagen und bis zum Ende des Projekts (in ca. einem Monat) das einzige ausländische Mitglied dieses Teams. Der Grund hierfür ist einfach. Die Fundación brauchte einen Mann mit europäischem Pass, Phänotyp und Sprachkenntnissen um das Team zu unterstützen. Kein Mitarbeiter der Fundación außer mir erfüllt diese Voraussetzungen.
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