Ganz in der Manier eines all inclusive Angebotes wurden auch wir dazu angehalten an einer Stadtführung teilzunehmen. Von dieser möchte ich - obwohl für den einen oder anderen Leser sicher sehr interessant - nur soviel berichten, dass unser Guide (eine seriöse Dame um die 38 Jahre) es sich anschließend nicht nehmen ließ gemeinsam mit uns in einer Bar, in einer der Künstlerhochburgen der Altstadt, ein Bier zu genießen. Was in Deutschland wahrscheinlich (allein aufgrund des Altersunterschiedes) ein bisschen bizarr anmuten würde, machte hier den Anschein ganz normal zu sein.
Anschließend, ganz begierig darauf weiterhin den Touristen zu mimen machten sich einige von uns auf den Weg zum Montserrate, einem Berg (3152 m) mit einem ehemaligen Kloster und einer wunderbaren Aussicht auf die Stadt. Nach einem aufgrund von Höhe und hereinbrechender Nacht nicht ganz zitterfreien Aufenthalt machten wir uns mit Hilfe der elektrischen Seilbahn auf den Rückweg in die Stadt (welche übrigens 2600 m hoch ist). Unten angekommen ging dann das eigentlich Abenteuer los.
Da der Weg in die Innenstadt und bis zu meinem Bus ein bisschen gefährlich und ungleich weiter gewesen wäre entschied ich mich spontan für ein wenig Luxus und ging auf das Angebot des fröhlich winkenden und rufenden Taxifahrers ein der den Anschein machte ein ziemlich netter Kerl zu sein. Nachdem ich auf der Rückbank des gelben Gefährts Platz genommen hatte, bereit mich nach Hause kutschieren zu lassen erschien mir der Mann plötzlich weniger freundlich. Das unrasierte Kinn und die kleine Narbe auf der rechten Wange erinnerte eher an einen Piraten, als an einen seriösen Chauffeur. Dazu die kräftge Statur und das Halbdunkel, der aufziehenden Nacht ließen mich an die Geschichte eines Freundes denken, dem es bei einem ähnlichen Versuch in seine Unterkunft zu kommen weniger gut ergangen war. Naja, jetzt saß ich in dem Taxi. Was konnte mir schon groß passieren? Ich glaube ich habe eine ganz gute Hausratversicherung und außer meiner Kamera war auch nichts von Wert in meinem Rucksack (der nebenbei bemerkt sicher schon das Interesse meines neuen Freundes geweckt hatte). Ich zückte also mein Handy um einen der ältesten Tricks zu probieren. Einfach so tun als würde man telefonieren und den Namen des Fahrers von dem Schild, das immer an der Rückseite von einem der Sitze hängt vorlesen, dazu das Kfz-Kennzeichen nennen und schon denkt der Lenker des Fahrzeugs, dass jemand anders weiß wo genau man ist. Nach einem kurzen Rundumblick wurde mir klar, dass ich auf der Rückwand vergeblich suchte. Blieb also noch die Vorderseite des Beifahrerplatzes, die ich ganz unauffällig zu überblicken versuchte. Da dies von meinem Platz aus nicht möglich war, versuchte ich ohne das Interesse meines Vordermannes zu wecken, allein durch das An- und Entspannen der Muskeln in meinem Hinterteil ein Stück nach links zu rutschen. Nach einigen erfolglosen Versuchen tat ich schließlich so, als würde ich meine Hose an den Rechten Platz rutschen und warf dabei einen verstohlenden Blick dahin, wo ich das Schild vermutete.
Nichts. Okay, das war kein gutes Zeichen aber eigentlich auch kein besonders schlechtes. Es ist mir schon öfter passiert, dass es fehlt und bis jetzt ist ja auch nichts passiert. Als ich anschließend meinen Blick weiter schweifen ließ und auch dabei scheiterte den Taxameter zu finden, wurde mir ein bisschen mulmig zumute. Von außen sah das Taxi eigentlich ganz normal aus und hier drin fühlte ich mich plötzlich wie Ali Baba in der Höhle der vierzig Räuber. Abwägend, was besser wäre, in einem der Armenviertel Bogotás aussteigen und bis zur nächsten größeren Straße zu Fuß durch die Dunkelheit laufen oder einfach sitzen bleiben und abwarten, entschied ich mich für letzteres und versuchte wahre Stärke zu zeigen und Ruhe zu bewahren. Als der Fahrer ein paar Straßen früher als gewöhnlich nach rechts abbog war ich mir nicht mehr sicher, die richtige Wahl getroffen zu haben.
Während all dieser Überlegungen und der letzten 5 Minuten hatte sich zudem eine rege Unterhaltung über meinen Auffenthalt in Kolumbien entwickelt - soweit das meine begrenzten Spanischkenntnisse zuließen. Meine Stille Hoffnung war jetzt also, dem Typ klar machen zu können, dass ich ein netter Mensch bin der extra für ein Jahr aus Deutschland gekommen ist, um Land und Leute kennen zu lernen und ein paar armen Jugendlichen (im Rahmen seiner Möglichkeiten) zu helfen. Gefühlte zwei Stunden, gemessene 3 Minuten später kam mein Haus doch noch in Sicht. Ziemlich erleichtert hielt ich den guten Mann dazu an sein Gefährt zu stoppen um mich aussteigen zu lassen. Im Stillen gratulierte ich mir dafür nicht ausgeraubt worden zu sein und im Lauten fragte ich freundlich nach dem Preis der Fahrt. Gespannt, wie mein netter Chauffeur das jetzt ohne Taxameter machen wollte wartete ich ab. Nachdem ein paar Mal auf dem Autoradio herumgedrückt wurde erschien eine Zahl, die mit Sicherheit eine Ziffer zuviel besaß um die zurückgelegten Meter anzuzeigen und erstaunlicherweise der Frequenz des Radiosenders, den wir gerade hörten entsprach. Der Fahrer nannte mir mit Hilfe der Senderfrequenz einen Preis der ein ganzens Stück zu hoch war für das kurze Stück Strecke und hielt mir seine Hand vors Gesicht. Unwissend wie ich mit der Situation umgehen sollte und auch ein bisschen erleichtert, dass es sich anscheinend nur um einen kleinen Gauner, der ahnungslose Touristen ausnimmt handelte, bezahlte ich zähneknirschend, nahm mein Wechselgeld entgegen und stieg aus. Die letzten Meter zu Fuß durch die lauwarme Dunkelheit zurücklegend versuchte ich meine Lehren aus der Sache zu ziehen. Als ich den Eingang zu meinem Gebäudekomplex erreichte und den Wachmann bat mir dir Tür zu öffnen war ich mir dann einer Sache sicher. Man sollte keine Taxis nehmen, die an typischen Touristenattraktionen bereit stehen!
Die Stadt bei Nacht