Aufgrund eines bewegenden Ereignisses hier in Kolumbien sehe ich mich gezwungen innerhalb sehr kurzer Zeit einen weiteren Blogeintrag zu verfassen.
Am 30. Mai 2010 fand die erste Runde der Präsidentschaftswahlen für die Legislaturperiode 2010 bis 2014 statt. Da es sich im Gegensatz zur deutschen parlamentarischen Demokratie bei Kolumbien um eine Präsidialrepublik handelt ist das Amt des Präsidenten mit vergleichsweise großer Macht und starkem Einfluss ausgestattet. Die Befugnisse sind also weniger mit denen des dahingeschiedenen Horst Köhler zu vergleichen, sondern haben eher das Format derer eines Barack Obamas. Kein Wunder also, dass man sich besonders viel Mühe gibt Staatsoberhaupt in Kolumbien zu werden.
Die geltende kolumbianische Verfassung, am 5. Juli 1991 per Volksentscheid verabschiedet, gilt als eine der fortschrittlichsten der Welt und teilt die Mächte - wie in Deutschland - in Legislative (gesetzgebene), Exekutive (ausführende) und Judicative (Recht sprechende).
In der Praxis ist es jedoch so, dass aufgrund von "persönlichen" Abhängigkeitsbeziehungen und der immer wieder zu beobachtenden Durchsetzung partikularer Interessen der Kongress nahezu gelähmt ist. Bei den unterschiedlichen Gerichtshöfen existieren Kompetenzüberschneidungen und aufgrund dieser unklaren Zuständigkeiten ist auch das Justizsystem in Teilen nicht in der Lage zu agieren. Zu allem kommt eine ordentliche Portion Nepotismus und Korruption in allen Teilen der Staatsverwaltung und plötzlich ist der Präsident mächtiger als in der Theorie gewollt.
Dem dahinscheidenen Staatsoberhaupt Álvaro Uribe ist so eine Verfassungsänderung gelungen, die seine Wiederwahl 2006 erlaubte. Die konservativen Abgeordneten Yidis Medina gab im Nachhinein zwar zu bestochen worden zu sein, was ihr einen 4 Jährigen Gefängnissaufenthalt bescherte, angetastet wurde das einmal Beschlossene trotzdem nicht.
Jetzt war es also wieder soweit. Eine neue Wahl zum Amt des Präsidenten stand an und das erste Mal in der Geschichte unserer Erde hatte ein grüner Politiker die Möglichkeit Staatsoberhaupt zu werden. Antanas Mockus, bei den Wahlen 2006 deutlich am mit 62,2 Prozent in der ersten Runde wiedergewählten Uribe gescheitert, stellte sich auch dieses Jahr wieder zur Wahl zum Präsidenten. Seine Umfragewerte entwickelten sich im Laufe der Zeit und es sah so aus als würde es zu einem Kopf an Kopf Rennen zwischen Antanas Mockus und Juan Manuel Santos, dem Ziehsohn Uribes werden. Mockus, vor allem populär durch seine transparente Haushaltspolitik als Bürgermeister von Bogotá und dem Ziel Bildung zur Priorität in Kolumbien zu machen wurde zum Hoffnungsträger auf einen Wechsel nach Jahren der Korruption und willkürlicher Militärgewalt unter Präsident Uribe.
Bei den letzten Umfragen am 20.,21. und 22. Mai von verschiedenen Instituten veröffentlicht, wird es eindeutig. Wenige Tage vor der Wahl hat der Uribista Juan Manuel Santos einen hauchdünnen Vorsprung vor Antanas Mockus. Aufgrund der Tatsache dass keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit in der ersten Runde gewinnt, rechnen alle mit einem zweiten Wahlgang.
In den Abendstunden des 30.05.2010 kam dann die Ernüchterung für die vielen Anhänger Mockus'. Juan Manuel Santos wurde zwar nicht sofort Präsident hatte aber mit 46,7 Prozent der Stimmen einen komfortablen Vorsprung auf den an zweiter Stelle mit 21,5 Prozent weit abgeschlagenen Mockus.
An dieser Stelle möchte ich einen kleinen Exkurs zu den Präsidentschaftswahlen 2008 in den USA und den Bundestagswahlen 2009 in Deutschland machen. Hierbei sollen vor allem die Umfragen im Vorfeld der Wahlen interessieren.
Am 1. November 2008 erziehlte Barack Obama in den Umfragen 50,4 Prozent der Stimmen und lag somit fast sieben Prozent vor John McCain (43,6 %).
Am 2. November sahen die Umfragen folgendermaßen aus:
Obama: 50,7 % und McCain: 44,3 %.
Am 3. November: Obama führt mit 51,6 % vor McCain (44,3 %).
Bei der letzten Umfrage am 4. November haben sich Obama's Werte noch ein bisschen verbessert. Sie liegen jetzt bei 52,1 % gegenüber den 44,5 % McCain's stellt das einen ausreichenden Vorsprung um die Wahl zu gewinnen dar.
Kurz danach wird der Wahlausgang bekannt. 52,92 Prozent für den nun amtierenden Barack Obama. John McCain muss sich mit 45,67 Prozent geschlagen geben.
Die Umfragen spiegeln äußerst genau die später bei der Wahl erziehlten Stimmenanteile wider.
In Deutschland sah es im Jahr 2009 folgendermaßen aus:
Auch hier kann man sehen, dass die Umfrageergebnisse verblüffend nah am tatsächlichen Ausgang der Wahl liegen.
Warum also dieser extreme Unterschied zwischen Umfragen und Wahlausgang in Kolumbien. Entweder die Institute in Kolumbien taugen absolut garnichts oder auch dieses Mal wurden die Wähler in Kolumbien Opfer von Korruption.
Bereits bei den Wahlen im Jahr 2006 sind Stimmen, dass der Ausgang verfassungswiedrig zu Gunsten Uribes beinflusst wurde, laut geworden.
Es sollte also zu einer zweiten Runde der Wahl kommen. Ausgetragen am 20. Juni 2010.
Um es kurz zu machen: es kam, wie es kommen musste. Antanas Mockus, Leuchtfeuer im stürmenden Meer der Korruption Kolumbiens ging mit 27,5 Prozent kläglich unter. Mit ihm versank die Aussicht auf den Aufbau eines kolumbianischen Rechtsstaats in den nächsten vier Jahren. Juan Manuel Santos gewann mit 68,9 Prozent der Stimmen und Kolumbien darf weitere Jahre der Falsos Positivos*, Korruption und Politik Uribes erleben.
Die Hoffnung auf eine von Weitsichtigkeit und Zukunftsorientierung geprägte Politik darf 2014 wohl wieder ausgepackt werden.
Dann, wenn wieder Wahlprogramme geschrieben und Brieftaschen gezückt werden.
*"Auf jeden Guerilla-Kämpfer, egal ob tot oder lebendig gefangen genommen, ist einer geheimen Armeedirektive zufolge ein Kopfgeld von umgerechnet 1300 Euro ausgesetzt. Dies führte dazu, dass bis zu 3000 Unschuldige ermordet und als gefallene Guerilla-Kämpfer ausgegeben wurden, in dem man ihnen beispielsweise einfach FARC-Uniformen angezogen hatte." (Aus Wikipedia der freien Enzyklopädie)
Diese Armeedirektive wurde vom damaligen Verteidigungsminister Juan Manuel Santos unterzeichnet. Erstaunlich war, dass besonders vor den Weihnachtsfeiertagen die Anzahl der ermordeten FARC-Mitglieder stieg. Dies hängt wohl damit zusammen, dass es zu den 1300 Euro auch noch ein paar zusätzliche freie Tage gab. Wer will zwischen Weihnachten und Neujahr nicht bei der Familie sein? Ein paar Unschuldige Tote mehr spielen dabei auch keine Rolle.
Der Focus hat Ende 2009 einen Artikel zum Thema der Falsos Positivos verfasst - Klicken um zum Artikel zu gelangen
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Interessant! sehr! es ist ermutigend zu hören, dass dir dieses jahr so viele unterschiedlichste erlebnisse bereitet und es ganz nebenbei auch noch spaß macht^^; bestärkt mich in meiner zukunftsplanung!=)
AntwortenLöschenViele Grüße
Kim