Es ist 22:34. Wir sitzen in einer kleinen Bar. Aus den Lautsprecherboxen der Jukebox dringt laute Musik. Was die aufgeregten Stimmen am Nachbartisch sagen ist trotzdem noch zu verstehen. Immer wieder gucken die drei Frauen und deren zwei Begleiter zu uns rüber. Wir fühlen uns ein bisschen unwohl. Etwa wie ein Fünftklässler der beim Abschreiben erwischt wurde.
10 Stunden früher: Die Sonne brennt vom Himmel. Im Haus der Kultur ist es stickend heiß. Ich muss immer wieder an den Pool direkt vor unserem Bungalow denken. Zweiundzwanzig Frauengesichter blicken uns erwartungsvoll an. Die Mütter profitieren von einem staatlichen Programm, das ihnen etwa 140.000 Pesos monatlich zur Unterstützung ihrer Kinder bereitstellt. Es ist zu bemerken wer aus ehrlichem Interesse gekommen ist und wer nur da ist um seine Pflicht zu erfüllen. Wir erklären wer wir sind, woher wir kommen und was wir in Nilo machen.Wie immer beginnen wir mit dem 30 minütigen Video der Fundación. Fünf Geschichten von Minderjährigen, denen das selbe passiert ist wie den geschätzten 35.000 Kindern und Jugendlichen die sich in Kolumbien noch immer in kommerzieller sexueller Ausbeutung befinden. Das Desinteresse, fast schon Abneigung einer der Teilnehmenden bleibt uns nicht verborgen. Nach etwa 25 Workshops dieser Art wissen wir ihre Mimik und Gestik zu deuten. Die junge Frau, nicht älter als dreißig ist mit Sicherheit in irgendeiner Form direkt Betroffene von dem was wir zeigen und zu erklären versuchen.
Sie hat sich mit ihrem Leben so eingerichtet. Sicher nicht freiwillig aber wer einmal daran gewöhnt ist will keine Hilfe. Aus Zeitmangel haben wir es aufgegeben jedem helfen zu wollen.
Etwa 5 Minuten später bezahlen die fünf ihre Rechnung. Eine der Frauen kennen wir von heute Nachmittag. Sie bestätigt mit ihrer Anwesenheit, was wir schon wussten. Die beiden Männer sind offensichtlich Klienten. Kleidung, Körperbau und Verhalten lässt auf Militärs aus der Schule zur Ausbildung professioneller Soldaten schließen. Die anderen beiden kennen wir gut. Maria* und ihre Mutter. In den letzten Wochen hatten wir immer wieder Kontakt mit der 17 Jährigen und ihrem einzigen noch lebenden Elternteil. Bis heute Abend haben die beiden geglaubt wir würden hier Urlaub machen. Sie haben bereitwillig mit uns über alles geredet. Nicht immer die Wahrheit aber zumindest waren sie nicht so verschlossen wie andere. Was ihnen jetzt erzählt wurde war neu für sie.
Keiner aus der Gruppe weiß uns einzuordnen. Es fällt das Wort Polizei. Dass das unrealistisch ist, sollte ihnen nach kurzem Nachdenken klar werden. Kurz darauf verlassen die Männer und deren käufliche Begleiterinnen ihren Tisch. Maria und ihre Mutter gucken stur geradeaus. Keine der beiden winkt uns zum Abschied wie sonst.
Wir bleiben noch etwa eine Stunde sitzen. Es tut sich nichts und wir machen uns auf den Weg zu unserem Bugalow. Das unangenehme Gefühl will nicht verschwinden. Uns war klar, dass wir mit einem Workshop dieser Art mitten im Zentrum Nilos die verdeckten Ermittlungen vollends begraben können. Das es so schnell geht hätten wir nicht gedacht.
*Name von der Redaktion geändert
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