Aufgrund eines bewegenden Ereignisses hier in Kolumbien sehe ich mich gezwungen innerhalb sehr kurzer Zeit einen weiteren Blogeintrag zu verfassen.
Am 30. Mai 2010 fand die erste Runde der Präsidentschaftswahlen für die Legislaturperiode 2010 bis 2014 statt. Da es sich im Gegensatz zur deutschen parlamentarischen Demokratie bei Kolumbien um eine Präsidialrepublik handelt ist das Amt des Präsidenten mit vergleichsweise großer Macht und starkem Einfluss ausgestattet. Die Befugnisse sind also weniger mit denen des dahingeschiedenen Horst Köhler zu vergleichen, sondern haben eher das Format derer eines Barack Obamas. Kein Wunder also, dass man sich besonders viel Mühe gibt Staatsoberhaupt in Kolumbien zu werden.
Die geltende kolumbianische Verfassung, am 5. Juli 1991 per Volksentscheid verabschiedet, gilt als eine der fortschrittlichsten der Welt und teilt die Mächte - wie in Deutschland - in Legislative (gesetzgebene), Exekutive (ausführende) und Judicative (Recht sprechende).
In der Praxis ist es jedoch so, dass aufgrund von "persönlichen" Abhängigkeitsbeziehungen und der immer wieder zu beobachtenden Durchsetzung partikularer Interessen der Kongress nahezu gelähmt ist. Bei den unterschiedlichen Gerichtshöfen existieren Kompetenzüberschneidungen und aufgrund dieser unklaren Zuständigkeiten ist auch das Justizsystem in Teilen nicht in der Lage zu agieren. Zu allem kommt eine ordentliche Portion Nepotismus und Korruption in allen Teilen der Staatsverwaltung und plötzlich ist der Präsident mächtiger als in der Theorie gewollt.
Dem dahinscheidenen Staatsoberhaupt Álvaro Uribe ist so eine Verfassungsänderung gelungen, die seine Wiederwahl 2006 erlaubte. Die konservativen Abgeordneten Yidis Medina gab im Nachhinein zwar zu bestochen worden zu sein, was ihr einen 4 Jährigen Gefängnissaufenthalt bescherte, angetastet wurde das einmal Beschlossene trotzdem nicht.
Jetzt war es also wieder soweit. Eine neue Wahl zum Amt des Präsidenten stand an und das erste Mal in der Geschichte unserer Erde hatte ein grüner Politiker die Möglichkeit Staatsoberhaupt zu werden. Antanas Mockus, bei den Wahlen 2006 deutlich am mit 62,2 Prozent in der ersten Runde wiedergewählten Uribe gescheitert, stellte sich auch dieses Jahr wieder zur Wahl zum Präsidenten. Seine Umfragewerte entwickelten sich im Laufe der Zeit und es sah so aus als würde es zu einem Kopf an Kopf Rennen zwischen Antanas Mockus und Juan Manuel Santos, dem Ziehsohn Uribes werden. Mockus, vor allem populär durch seine transparente Haushaltspolitik als Bürgermeister von Bogotá und dem Ziel Bildung zur Priorität in Kolumbien zu machen wurde zum Hoffnungsträger auf einen Wechsel nach Jahren der Korruption und willkürlicher Militärgewalt unter Präsident Uribe.
Bei den letzten Umfragen am 20.,21. und 22. Mai von verschiedenen Instituten veröffentlicht, wird es eindeutig. Wenige Tage vor der Wahl hat der Uribista Juan Manuel Santos einen hauchdünnen Vorsprung vor Antanas Mockus. Aufgrund der Tatsache dass keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit in der ersten Runde gewinnt, rechnen alle mit einem zweiten Wahlgang.
In den Abendstunden des 30.05.2010 kam dann die Ernüchterung für die vielen Anhänger Mockus'. Juan Manuel Santos wurde zwar nicht sofort Präsident hatte aber mit 46,7 Prozent der Stimmen einen komfortablen Vorsprung auf den an zweiter Stelle mit 21,5 Prozent weit abgeschlagenen Mockus.
An dieser Stelle möchte ich einen kleinen Exkurs zu den Präsidentschaftswahlen 2008 in den USA und den Bundestagswahlen 2009 in Deutschland machen. Hierbei sollen vor allem die Umfragen im Vorfeld der Wahlen interessieren.
Am 1. November 2008 erziehlte Barack Obama in den Umfragen 50,4 Prozent der Stimmen und lag somit fast sieben Prozent vor John McCain (43,6 %).
Am 2. November sahen die Umfragen folgendermaßen aus:
Obama: 50,7 % und McCain: 44,3 %.
Am 3. November: Obama führt mit 51,6 % vor McCain (44,3 %).
Bei der letzten Umfrage am 4. November haben sich Obama's Werte noch ein bisschen verbessert. Sie liegen jetzt bei 52,1 % gegenüber den 44,5 % McCain's stellt das einen ausreichenden Vorsprung um die Wahl zu gewinnen dar.
Kurz danach wird der Wahlausgang bekannt. 52,92 Prozent für den nun amtierenden Barack Obama. John McCain muss sich mit 45,67 Prozent geschlagen geben.
Die Umfragen spiegeln äußerst genau die später bei der Wahl erziehlten Stimmenanteile wider.
In Deutschland sah es im Jahr 2009 folgendermaßen aus:
Auch hier kann man sehen, dass die Umfrageergebnisse verblüffend nah am tatsächlichen Ausgang der Wahl liegen.
Warum also dieser extreme Unterschied zwischen Umfragen und Wahlausgang in Kolumbien. Entweder die Institute in Kolumbien taugen absolut garnichts oder auch dieses Mal wurden die Wähler in Kolumbien Opfer von Korruption.
Bereits bei den Wahlen im Jahr 2006 sind Stimmen, dass der Ausgang verfassungswiedrig zu Gunsten Uribes beinflusst wurde, laut geworden.
Es sollte also zu einer zweiten Runde der Wahl kommen. Ausgetragen am 20. Juni 2010.
Um es kurz zu machen: es kam, wie es kommen musste. Antanas Mockus, Leuchtfeuer im stürmenden Meer der Korruption Kolumbiens ging mit 27,5 Prozent kläglich unter. Mit ihm versank die Aussicht auf den Aufbau eines kolumbianischen Rechtsstaats in den nächsten vier Jahren. Juan Manuel Santos gewann mit 68,9 Prozent der Stimmen und Kolumbien darf weitere Jahre der Falsos Positivos*, Korruption und Politik Uribes erleben.
Die Hoffnung auf eine von Weitsichtigkeit und Zukunftsorientierung geprägte Politik darf 2014 wohl wieder ausgepackt werden.
Dann, wenn wieder Wahlprogramme geschrieben und Brieftaschen gezückt werden.
*"Auf jeden Guerilla-Kämpfer, egal ob tot oder lebendig gefangen genommen, ist einer geheimen Armeedirektive zufolge ein Kopfgeld von umgerechnet 1300 Euro ausgesetzt. Dies führte dazu, dass bis zu 3000 Unschuldige ermordet und als gefallene Guerilla-Kämpfer ausgegeben wurden, in dem man ihnen beispielsweise einfach FARC-Uniformen angezogen hatte." (Aus Wikipedia der freien Enzyklopädie)
Diese Armeedirektive wurde vom damaligen Verteidigungsminister Juan Manuel Santos unterzeichnet. Erstaunlich war, dass besonders vor den Weihnachtsfeiertagen die Anzahl der ermordeten FARC-Mitglieder stieg. Dies hängt wohl damit zusammen, dass es zu den 1300 Euro auch noch ein paar zusätzliche freie Tage gab. Wer will zwischen Weihnachten und Neujahr nicht bei der Familie sein? Ein paar Unschuldige Tote mehr spielen dabei auch keine Rolle.
Der Focus hat Ende 2009 einen Artikel zum Thema der Falsos Positivos verfasst - Klicken um zum Artikel zu gelangen
Montag, 21. Juni 2010
Freitag, 18. Juni 2010
Lang ist es her...
Dass ich mich in den letzten Wochen nicht gemeldet hab, möchte ich mal mit dem Bau eines Hauses vergleichen. Bevor es so richtig losgehen kann muss man erstmal ein bisschen sparen. Jeden Monat Freunde und Angehörige über den eigenen Kontostand zu informieren ist weniger interessant. Wenn allerdings der Grundstein gelegt wird, dann will man jeden anrufen.
Ich habe es mir in der letzten Zeit gespart etwas zu schreiben... ;-)
Das soll nicht heißen, dass nichts passiert ist, ich war einfach nur damit beschäftigt Grundlagen zu legen und zu festigen, was bereits besteht.
Die Investigación hier in Bogotá haben wir in den letzten Tagen des verregneten Mais erfolgreich zu Ende gebracht. Aus der gesamten Zeit der Feldforschung könnte ich mittlerweile jede Menge lustige, traurige, bewegende Anekdoten erzählen. Ich habe mich allerdings darauf beschränkt meinen Abschlussbericht eher sachlich zu halten. Eine deutsche Übersetzung desselben sollte hier bald folgen.
Zur Zeit ist es so, dass ich mich in einer Phase des Wartens und Vorbereitens befinde. Hierbei handelt es sich weniger um den kolumbianischen Advent sondern vielmehr um die Fortsetzung der Investigación in zwei in der Nähe von Bogotá liegenden Dörfern. Für mich ist meine Teilnahme daran in zweierlei Hinsicht toll. Erstens zeigt es mir, dass meine Arbeit wirklich wertgeschätzt wird. Immerhin ist das Ganze mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand für meine Arbeitgeber verbunden. Auf der anderen Seite ist es so, dass ich dadurch die Möglichkeit erhalte mal so richtig und nicht nur für ein verlängertes Wochenende aus Bogotá rauszukommen. Es wird angenehm sein dem Verkehrschaos hier ein Weilchen entfliehen zu können und außerdem ziehe ich nach 5 Monaten Bogotá ein bisschen Hitze und Pool der "Kälte"* hier vor.
Nach einer Busfahrt von ca. 2 Stunden befindet man sich zwischen 2000 und 2400 Metern tiefer und es ist gleich 20 Grad wärmer. Auf der Hinfahrt bedeutet das, dass man bis zur Ankunft im Hotelzimmer ordentlich in langen Hosen und Schuhen schwitzt, auf der Rückfahrt friert man dafür umso mehr in Shorts und Flip-Flops.
Die Idee ist, dass wir uns von Mittwoch bis Sonntag in Melgar und Girardot aufhalten. Die anderen Tage sind wir dann in Bogotá um finanzielle Einzelheiten zu klären oder uns der liegengebliebenen Schreibarbeit zu widmen.
Wie genau das alles aussehen wird werde ich hoffentlich am Montag erfahren. Da soll die Capacitación (span. Befähigung) stattfinden. Allerdings ist das nicht das erste Mal, sie wurde bereits zweimal verschoben.
Ansonsten geht es mir abgesehen von einigen Kleinigkeiten eigentlich ganz gut. Der Eurowechselkurs ist gerade so schlecht, dass ich die Auswirkungen in meinem Portemonnaie** zu spüren bekomme und die WM macht natürlich nur halbsoviel Spaß wenn man morgens 6:30 Uhr allein vor dem Fernseher sitzt. Aber diese kleinen Unannehmlichkeiten nehme ich gerne in Kauf.
Urlaub habe ich immer noch nicht so richtig gemacht. Zum einen fehlt die Zeit. Ich will die Möglichkeiten, welche sich zur Zeit in der Fundación bieten einfach nicht verschenken und zum anderen bin ich weniger liquide als gedacht.
Aber was soll's... so lange ich mich auf den nächsten Tag freuen kann spielt das wohl kaum eine Rolle.
P.S.: Ich lese zur Zeit ein Buch. Bei der Lektüre ist mir eine lustige Eigenheit des Spanischen aufgefallen. Das Wort "esposas" benutzt man für zwei Dinge: Handschellen und Ehefrauen.
*Zur Erinnerung, Bogotá liegt in ca. 2500 Metern Höhe. Hier wird es selten wärmer als 20 Grad, zudem ist gerade soetwas wie Regenzeit/Winter. Das wissen die Bogotaner selber nicht so genau. Ab 18:30 ist es dunkel und ohne Sonne wird es hier ziemlich schnell kalt.
**Wenn ich ehrlich bin habe ich mein Portemonnaie nie dabei wenn ich das Haus verlasse. Zum einen brauche ich den meisten Kram nicht und mein Geld verteile ich lieber auf verschiedene Taschen und die Socken. Im Falle eines Überfalls greift man dann in seine Hose und verliert nicht zuviel von diesem lebensnotwendigen Übel.
Ich habe es mir in der letzten Zeit gespart etwas zu schreiben... ;-)
Das soll nicht heißen, dass nichts passiert ist, ich war einfach nur damit beschäftigt Grundlagen zu legen und zu festigen, was bereits besteht.
Die Investigación hier in Bogotá haben wir in den letzten Tagen des verregneten Mais erfolgreich zu Ende gebracht. Aus der gesamten Zeit der Feldforschung könnte ich mittlerweile jede Menge lustige, traurige, bewegende Anekdoten erzählen. Ich habe mich allerdings darauf beschränkt meinen Abschlussbericht eher sachlich zu halten. Eine deutsche Übersetzung desselben sollte hier bald folgen.
Zur Zeit ist es so, dass ich mich in einer Phase des Wartens und Vorbereitens befinde. Hierbei handelt es sich weniger um den kolumbianischen Advent sondern vielmehr um die Fortsetzung der Investigación in zwei in der Nähe von Bogotá liegenden Dörfern. Für mich ist meine Teilnahme daran in zweierlei Hinsicht toll. Erstens zeigt es mir, dass meine Arbeit wirklich wertgeschätzt wird. Immerhin ist das Ganze mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand für meine Arbeitgeber verbunden. Auf der anderen Seite ist es so, dass ich dadurch die Möglichkeit erhalte mal so richtig und nicht nur für ein verlängertes Wochenende aus Bogotá rauszukommen. Es wird angenehm sein dem Verkehrschaos hier ein Weilchen entfliehen zu können und außerdem ziehe ich nach 5 Monaten Bogotá ein bisschen Hitze und Pool der "Kälte"* hier vor.
Nach einer Busfahrt von ca. 2 Stunden befindet man sich zwischen 2000 und 2400 Metern tiefer und es ist gleich 20 Grad wärmer. Auf der Hinfahrt bedeutet das, dass man bis zur Ankunft im Hotelzimmer ordentlich in langen Hosen und Schuhen schwitzt, auf der Rückfahrt friert man dafür umso mehr in Shorts und Flip-Flops.
Die Idee ist, dass wir uns von Mittwoch bis Sonntag in Melgar und Girardot aufhalten. Die anderen Tage sind wir dann in Bogotá um finanzielle Einzelheiten zu klären oder uns der liegengebliebenen Schreibarbeit zu widmen.
Wie genau das alles aussehen wird werde ich hoffentlich am Montag erfahren. Da soll die Capacitación (span. Befähigung) stattfinden. Allerdings ist das nicht das erste Mal, sie wurde bereits zweimal verschoben.
Ansonsten geht es mir abgesehen von einigen Kleinigkeiten eigentlich ganz gut. Der Eurowechselkurs ist gerade so schlecht, dass ich die Auswirkungen in meinem Portemonnaie** zu spüren bekomme und die WM macht natürlich nur halbsoviel Spaß wenn man morgens 6:30 Uhr allein vor dem Fernseher sitzt. Aber diese kleinen Unannehmlichkeiten nehme ich gerne in Kauf.
Urlaub habe ich immer noch nicht so richtig gemacht. Zum einen fehlt die Zeit. Ich will die Möglichkeiten, welche sich zur Zeit in der Fundación bieten einfach nicht verschenken und zum anderen bin ich weniger liquide als gedacht.
Aber was soll's... so lange ich mich auf den nächsten Tag freuen kann spielt das wohl kaum eine Rolle.
P.S.: Ich lese zur Zeit ein Buch. Bei der Lektüre ist mir eine lustige Eigenheit des Spanischen aufgefallen. Das Wort "esposas" benutzt man für zwei Dinge: Handschellen und Ehefrauen.
*Zur Erinnerung, Bogotá liegt in ca. 2500 Metern Höhe. Hier wird es selten wärmer als 20 Grad, zudem ist gerade soetwas wie Regenzeit/Winter. Das wissen die Bogotaner selber nicht so genau. Ab 18:30 ist es dunkel und ohne Sonne wird es hier ziemlich schnell kalt.
**Wenn ich ehrlich bin habe ich mein Portemonnaie nie dabei wenn ich das Haus verlasse. Zum einen brauche ich den meisten Kram nicht und mein Geld verteile ich lieber auf verschiedene Taschen und die Socken. Im Falle eines Überfalls greift man dann in seine Hose und verliert nicht zuviel von diesem lebensnotwendigen Übel.
Sonntag, 9. Mai 2010
Es sind die ganzen kleinen Dinge
Als morgens mein Wecker klingelt, weiß ich für einen Moment nicht wo ich bin. Das Bett fühlte sich nicht an wie gewöhnlich und das Gedudel konnte unmöglich von meinem Handy kommen. Nachdem ich mir den Schlaf aus den Augen gerieben habe weiß ich wieder was los ist. Gestern haben wir nur bis kurz vor 23:00 Uhr gearbeitet. Da keiner von uns in den letzten Wochen abends besonders viel Zeit hatte um etwas mit Freunden zu machen sind wir danach noch in eine Bar gegangen. Merkwürdig wenn man an einem Samstag etwas trinken kann ohne über Prostitution sprechen zu müssen. Nachts gibt es keine Busse und wir waren soweit im Norden, dass mich eine Taxifahrt gute 25.000 Pesos gekostet hätte. Das Angebot in der Wohnung einer Kollegin zu übernachten nahm ich ohne Umschweife dankbar an. Ich bin nicht grad mit Geld gesegnet in diesen Tagen.
Jetzt lag ich also im Bett ihres kleinen Bruders. Er war übers Wochenende irgendwo in Kolumbien unterwegs. Wo genau und warum hatte ich nicht verstanden.
Als ich den Wecker ausschalten will sehe ich, dass es tatsächlich mein Handy ist. Es ist neu. Mein Altes wurde mir vor 3 Tagen oder besser Nächten geklaut. Auf der Suche nach Minderjährigen, Ausländern oder anderem, das irgendwie von Interesse sein konnte war es spät geworden. Wir wollten grad nach Hause. Auf dem Weg zur Septima* kam uns ein Paar entgegen. Beide höchstens Siebzehn. Plötzlich hielt mir der Junge mit zitternder Hand ein Messer vors Gesicht. Ich war nicht allein, sondern in weiblicher Begleitung. Nicht wissend wie schnell meine Partnerin laufen konnte zog ich es vor ruhig zu bleiben. 25 Sekunden später, um zwei Handys und 30.000 Pesos erleichtert waren wir wieder allein.
Ich hatte mich grad an meine Weckermelodie gewöhnt.
Als ich nun endgültig wach bin steh' ich auf um das Badezimmer zu suchen. Hübsche Wohnung. Aus der Küche weht mir der Geruch von Waffeln, heißem Kaffee und Rührei entgegen. Kurze Zeit später sitze ich frisch geduscht an einem großen Glastisch, durch das Fenster strahlt die Sonne und aus den kleinen IPod-Boxen dringt die Musik von Manu Chao. Das Leben ist so angenehm.
Als wir gehen fällt mir die ungewöhnliche Form und Größe des Haustürschlüssels auf. Ich frage was es damit auf sich hat und erhalte eine knappe Erklärung. Die Haustür hat ein Sicherheitsschloss und ist ohne Schlüssel oder Gewalt nicht zu öffnen.
Als wir das Tor passieren um auf die ruhige Staße zu treten erkundige ich mich naiv, ob die Wachen vor dem Eingang für die etwa 50 Appartments nicht ausreichen. In diesem Land geben manche Menschen ihre Stimme einem Präsidentschaftskandidaten für ein warmes Mittagessen. Da kann man auch private Security für etwas bezahlen. Das genügt mir als Antwort. In dem Moment erinnere ich mich, dass man für meine Tür zwei Schlüssel simultan benutzen muss. Trotz der Wachen vor dem Tor.
Auf dem kurzen Weg zur Boyacá** werden wir zweimal nach Kleingeld gefragt. Beim ersten Mal gebe ich etwas. Beim zweiten Mal habe ich keine Münzen mehr.
Als ich schließlich im Bus nach Hause sitze, spüre ich den warmen Wind auf meiner Haut. Ich betrachte gedankenverloren das Bild auf meinem Wechselgeld und denke an das neue Handy und die 2 Schlüssel in meiner Tasche.
Es sind die ganzen kleinen Dinge, die die wirklich großen Unterschiede machen.
* eine der Hauptverkehrsstraßen im Osten Bogotás die von Norden nach Süden verläuft
** viel befahrene Straße im Westen der Stadt, verläuft in Nord-Süd Richtung
Jetzt lag ich also im Bett ihres kleinen Bruders. Er war übers Wochenende irgendwo in Kolumbien unterwegs. Wo genau und warum hatte ich nicht verstanden.
Als ich den Wecker ausschalten will sehe ich, dass es tatsächlich mein Handy ist. Es ist neu. Mein Altes wurde mir vor 3 Tagen oder besser Nächten geklaut. Auf der Suche nach Minderjährigen, Ausländern oder anderem, das irgendwie von Interesse sein konnte war es spät geworden. Wir wollten grad nach Hause. Auf dem Weg zur Septima* kam uns ein Paar entgegen. Beide höchstens Siebzehn. Plötzlich hielt mir der Junge mit zitternder Hand ein Messer vors Gesicht. Ich war nicht allein, sondern in weiblicher Begleitung. Nicht wissend wie schnell meine Partnerin laufen konnte zog ich es vor ruhig zu bleiben. 25 Sekunden später, um zwei Handys und 30.000 Pesos erleichtert waren wir wieder allein.
Ich hatte mich grad an meine Weckermelodie gewöhnt.
Als ich nun endgültig wach bin steh' ich auf um das Badezimmer zu suchen. Hübsche Wohnung. Aus der Küche weht mir der Geruch von Waffeln, heißem Kaffee und Rührei entgegen. Kurze Zeit später sitze ich frisch geduscht an einem großen Glastisch, durch das Fenster strahlt die Sonne und aus den kleinen IPod-Boxen dringt die Musik von Manu Chao. Das Leben ist so angenehm.
Als wir gehen fällt mir die ungewöhnliche Form und Größe des Haustürschlüssels auf. Ich frage was es damit auf sich hat und erhalte eine knappe Erklärung. Die Haustür hat ein Sicherheitsschloss und ist ohne Schlüssel oder Gewalt nicht zu öffnen.
Als wir das Tor passieren um auf die ruhige Staße zu treten erkundige ich mich naiv, ob die Wachen vor dem Eingang für die etwa 50 Appartments nicht ausreichen. In diesem Land geben manche Menschen ihre Stimme einem Präsidentschaftskandidaten für ein warmes Mittagessen. Da kann man auch private Security für etwas bezahlen. Das genügt mir als Antwort. In dem Moment erinnere ich mich, dass man für meine Tür zwei Schlüssel simultan benutzen muss. Trotz der Wachen vor dem Tor.
Auf dem kurzen Weg zur Boyacá** werden wir zweimal nach Kleingeld gefragt. Beim ersten Mal gebe ich etwas. Beim zweiten Mal habe ich keine Münzen mehr.
Als ich schließlich im Bus nach Hause sitze, spüre ich den warmen Wind auf meiner Haut. Ich betrachte gedankenverloren das Bild auf meinem Wechselgeld und denke an das neue Handy und die 2 Schlüssel in meiner Tasche.
Es sind die ganzen kleinen Dinge, die die wirklich großen Unterschiede machen.
* eine der Hauptverkehrsstraßen im Osten Bogotás die von Norden nach Süden verläuft
** viel befahrene Straße im Westen der Stadt, verläuft in Nord-Süd Richtung
Donnerstag, 29. April 2010
Die Uhr tickt... erstes Viertel um.
Da wir im Rahmen der "welwärts" Förderung einige Berichte verfassen müssen und diese vielleicht nicht nur für das BMZ interessant sind, möchte ich an dieser Stelle den ersten von drei Zwischenberichten veröffentlichen. Er bietet nicht besonders viel Stoff zum Nachdenken und ist auch nicht gespickt von kleinen Anekdoten, stellt aber vielleicht eine interessante Zusammenfassung der letzten drei Monate dar.
Vor etwa drei Monaten, in der Zeit kurz vor meiner Ausreise versuchte ich mich stets daran zu erinnern meine Erwartungen nicht zu hoch zu stecken. Da die Projektbeschreibung der Fundación Renacer mehr als dürftig war wusste ich nur grob was meine Aufgabe für das nächste Jahr sein sollte. Ich ging davon aus mich mit der Betreuung von einigen Kindern abfinden zu müssen. Nicht das, was ich wollte aber mit Sicherheit das Gebiet, in dem ich in den letzten Jahren in Deutschland eine Menge Erfahrung gesammelt hatte. Außerdem hoffte ich meine Spanischkenntnisse schnell soweit auszubauen, dass eine Unterhaltung mit Einheimischen möglich ist.
In den ersten Wochen und Monaten kommt mir als Ausgleich zum fehlenden Spanisch die gewissenhafte Vorbereitung des ICJA (Entsendeorganisation) zugute. Vor allem von theoretischen Einheiten, zum Beispiel über das Eisbergmodell der Kulturen (nach Robert Kohls), konnte ich profitieren. Missverständnisse möglichst schnell aus dem Weg zu räumen oder versuchen den anderen zu verstehen, ohne sich auf den selben kulturellen Hintergrund berufen zu können, waren unter anderem die größten Herausforderungen in diesen Tagen.
Nach Beendigung des Spanischstunden wusste ich immerhin mehr als Nichts. Von meinem Ziel war ich allerdings noch sehr weit entfernt.
Anschließend sollte es mit der Arbeit in den Projekten losgehen. Meine Erwartungen waren äußerst gering und das Interesse ein weiteres Jahr mit Kinder und Jugendlichen zu arbeiten hielt sich deutlich in Grenzen. Nicht, dass es keinen Spaß macht aber ich dachte mir, es wäre doch eigentlich mal an der Zeit etwas anderes kennen zu lernen. In meinen ersten Tagen in der Fundación Renacer wurde mir schnell klar warum die Projektbeschreibung so dürftig war. Es gab einfach zu viel über das man hätte berichten können. Die Fundación Renacer hat es sich seit 1988 zur Aufgabe gemacht kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen in ganz Kolumbien zu bekämpfen. Zu den drei großen Aufgabenbereichen gehören: Prävention (z.B. Aufklärung von Touristen in beliebten Urlaubszielen), umfassende Betreuung der Opfer (z.B. Heimunterbringung und Therapie) und Untersuchung des Sachverhaltes (z.B. allg. Untersuchungen zu Opferzahlen oder auch konkretes wie: auf welche Art geschieht Kontaktaufnahme, in welchen Clubs und Bars findet Prostitution von Minderjährigen statt,...).
Z. Z. werden verschiedene Programme in den Städten Bogotá, Cartagena, Barranquilla und Arauca entwickelt und durchgeführt. Bei der Fülle an verschiedenen Aufgabenbereichen und Projekten ist es schwer auf einer A4-Seite konkret zu werden.
Im Grunde kann ich sagen, dass die Fundación mich mit offenen Armen empfangen hat. Auch wenn ich mich nur langsam auf diese offenen Arme zubewegen wollte. Die Idee war, dass ich die ersten drei Wochen in einem Heim zur permanenten Unterbringung von minderjährigen Opfern arbeitete. Hier gab es eine andere Freiwillige die mich in die Arbeit einführen konnte. Zudem schätze ich die Möglichkeit drei weitere Wochen zum Ausbau meiner Sprachkenntnisse zu haben bevor es ernst werden sollte.
Die Arbeit in diesen Wochen war weniger interessant. Das hingegen, was mir die Kindern erzählen konnten weckte meine Aufmerksamkeit. Ich war viel damit beschäftigt einfach nur an Talleres (Unterrichtseinheit zur Vermittlung von Sach- und Orientierungswissen) teilzunehmen und grundlegende Abläufe kennen zu lernen.
Im Anschluss an diese Wochen begann ich meine eigentliche Arbeit im Ambulatorio. Hier leben die Kindern nicht ständig sondern kommen nur tagsüber um an Talleres teilzunehmen, zu essen und nicht den Risiken ihres Wohnviertels oder der Straße ausgesetzt zu sein. Die Koordinatorin ist eine fähige Frau, die mich innerhalb kürzester Zeit in die Tagesabläufe einzubinden wusste. Meine Aufgaben waren es Talleres zu begleiten oder selbst durchzuführen. Da mein Interesse mich immer wieder dazu anhielt nach weiteren Herausforderungen zu suchen, fragte ich in welchen Bereichen ich außerdem tätig werden könnte. Neben den Workshops bin ich nun für alles verantwortlich, was mit den täglichen Finanzen des Ambulatorio verbunden ist (Abrechnungen schreiben, Bargeld auszahlen, …), besuche die Kinder, die länger nicht mehr da waren einmal wöchentlich in ihren Wohnungen um mit ihnen zu reden und werde außerdem immer stärker in andere administrative Aufgaben eingebunden (wie z.B. das Verwalten und Aktualisieren der Akten der Kinder oder die Dokumentation persönlicher Entwicklungen).
Zur Zeit habe ich das Glück in einem zeitlich begrenzten Projekt mitzuarbeiten, das in Zusammenarbeit mit der Fundación Esperanza und der Unterstützung der kolumbianischen Regierung versucht Sextourismus mit minderjährigen Opfern in Bogotá zu untersuchen. Meine Aufgabe ist es hierbei verdeckt Clubs und Bars aufzusuchen um mit den Jugendlichen, Informanten, Zuhältern oder Touristen Befragungen durchzuführen. Natürlich nicht mit der Absicht meine Identität oder wahren Absichten preiszugeben. Das Team mit dem ich arbeite ist sehr professionell und es macht Spaß neue Methoden in der Praxis kennenzulernen.
Zurückblickend auf die letzten Monate muss ich sagen, dass die Arbeit in der Fundación Renacer deutlich interessanter und vielfältiger ist, als das von mir erwartete und glücklicherweise nicht eingetretene Aufpassen auf Kinder und Jugendliche.
Neben der Arbeit durfte ich natürlich auch jede Menge spannende Erfahrungen machen. Zum Beispiel, dass Familie anders ist als in Deutschland. Die meisten Kinder leben hier bis sie etwa 30 Jahre alt sind bei ihren Eltern. Das kann manchmal deutlich anstrengender sein als das WG-Leben gleich nach dem Abi. Außerdem reicht mein Spanisch mittlerweile aus, um eine normale Unterhaltung zu führen. Da fällt es deutlich leichter in den kolumbianischen Alltag neben Arbeit und Familie einzutauchen.
Was schade war, ist die Tatsache, dass viele von uns Ausländern und davon will ich mich nicht ausschließen, mit einem falschen Bild nach Kolumbien gekommen sind. Dieses Land hat in seiner Gesamtheit sicher gravierendere Probleme als andere Staaten in Südamerika aber eine Stadt wie Bogotá ist deshalb nicht gefährlicher als Sao Paulo oder Buenos Aires. Der Großteil der Menschen ist freundlich und zeigt ehrliches Interesse an mir als Person und nicht nur an meiner Brieftasche. Natürlich gibt es Viertel, in denen man vor allem Nachts nicht unbedingt allein durch die Straßen gehen sollte aber in den Medien wird ein deutlich übertriebenes Bild gezeichnet. Ein Glück, das ich die Möglichkeit hatte dies mit der Wirklichkeit in Übereinstimmung zu bringen.
Was schade war, ist die Tatsache, dass viele von uns Ausländern und davon will ich mich nicht ausschließen, mit einem falschen Bild nach Kolumbien gekommen sind. Dieses Land hat in seiner Gesamtheit sicher gravierendere Probleme als andere Staaten in Südamerika aber eine Stadt wie Bogotá ist deshalb nicht gefährlicher als Sao Paulo oder Buenos Aires. Der Großteil der Menschen ist freundlich und zeigt ehrliches Interesse an mir als Person und nicht nur an meiner Brieftasche. Natürlich gibt es Viertel, in denen man vor allem Nachts nicht unbedingt allein durch die Straßen gehen sollte aber in den Medien wird ein deutlich übertriebenes Bild gezeichnet. Ein Glück, das ich die Möglichkeit hatte dies mit der Wirklichkeit in Übereinstimmung zu bringen.
Freitag, 9. April 2010
Equipo de la Calle
Nachdem der Zielort bestimmt wurde werden als erstes die Frauen losgeschickt. Observation von außen. Wird das Etablissement von Ausländern frequentiert? Wie alt sind die Angestellten? Nicht einfach eine unscheinbare Tür für bis zu 2 Stunden im Auge zu behalten. Wenn die ersten Daten gesammelt wurden wird abgewägt, lohnt es sich das zweite Team loszuschicken oder wäre das eine Verschwendung von Ressourcen. Geld aber vor allem Zeit ist knapp. Nach einer positiven Antwort machen der Ausländer und sein kolumbianischer Partner sich auf den Weg. Manchmal bezahlen die beiden bis zu 60.000 Eintritt, dazu mindestens ein Getränk um nicht aufzufallen. 110.000 Pesos* und 5 Minuten später fragt der Kolumbianer nach den Mädchen. Die Jüngeren bitte. Der Ausländer ist selber jung, ca. 20 Jahre und seit drei Wochen in Kolumbien, macht Urlaub. Er spricht kein Wort Spanisch. Die Kommunikation läuft ausschließlich in Englisch. Der Kolumbianer übersetzt was Angestellte oder die Frauen sagen.
Selten können die beiden unbefangen reden. Das Risiko, dass eine der Bediensteten Englisch versteht ist zu groß. Also wird übersetzt was der Ausländer schon weiß. Sein Spanisch reicht nach fast drei Monaten Kolumbien um einer Konversation zu folgen.
Wenn sich die augenscheinlich Jüngste zu den Beiden gesetzt hat fängt man an zu reden. Woher sie kommt. Wie lang sie schon hier ist. Stellt Fragen über das Etablissement und webt geschickt einige Fakten über die eigene Person ein. Bei Niemandem soll der Anschein erweckt werden eine Befragung durchzuführen. Es ist eine lockere, entspannte Konversation zwischen einer Dienstleisterin und einem möglichen Kunden. Für beide Seiten ist die Situation vollkommen normal. Wenn die Unterhaltung gut läuft fragt der Ausländer ob das Mädchen auch etwas trinken will. Der Kolumbianer übersetzt. Die beiden wollen Zeit gewinnen. Sich möglichst lang dort aufhalten und mit verschiedenen Personen reden. Alles ohne aufzufallen.
Eine halbe Stunde später geht der Ausländer zusammen mit dem Kolumbianer. Ohne Begleitung. Die beiden haben genug gehört und gesehen um sich ein Bild zu machen.
Kontakt zu Nordamerikanern oder Europäern aufzunehmen ist an diesen Orten nicht möglich. Wenn man die Wahl hat mit 30 hübschen Frauen oder einem fetten Ausländer zu reden mutet es merkwürdig an sich für letzteres zu entscheiden. Niemand kommt an diese Orte um mit anderen Männern zu reden.
Für die Befragung von Nicht-Kolumbianern sind die Bars besser geeignet. Das Vorgehen hier ist anders. Nachdem man langsam durch die Straßen geschlendert ist und eine Bar mit vielen Ausländern entdeckt hat stellt man sich davor. Der Kolumbianer raucht eine Zigarette, sein Partner wartet mit ihm. Nebenbei lässt man den Blick über die Tische schweifen. Wo sitzen männliche Ausländer, nicht Schwule, an die nähert man sich anders, ohne Begleitung. Nachdem ein Ort ausgemacht wurde geht der Ausländer meist vor, der Kolumbianer hält sich im Hintergrund. Heilfroh nach 3 Wochen mal wieder jemanden zu treffen, der nicht Kolumbianischen Ursprungs ist werden die neuen Freunde auf einen Drink eingeladen.
Man führt wieder eine lockere Unterhaltung. Diesmal auf Englisch und ohne das Ziel sich ein Bild vom Alter des Gegenüber zu machen. Man will über anderes Reden. Angefangen mit Reisen und Touristenatraktionen, übergeleitet zur Bevölkerung, insbesondere den Frauen endet man beim Thema Prostitution. Der Ausländer hat soetwas noch nie gemacht, würde aber gern und stellt neugierig jede Menge Fragen. Die Kontakaufnahme, Bezahlung, sexuell übertragbare Krankheiten, Arten des Geschlechtsverkehrs, noch bestehende Bindungen mit insbesondere Minderjahrigen und andere Themen werden angesprochen. Mit der Absicht den Gegenüber aus der eigenen Erfahrung erzählen zu lassen, treibt man die Unterhaltung immer weiter voran. Eine ganze Weile danach, wenn nichts mehr von Interesse aus den Gesprächspartnern herauszubekommen ist, verabschiedet man sich und geht.
Zum nächsten Zielort.
Später in der Nacht wird alles schriftlich dokumentiert. Manchmal hören sich die beiden die heimlich aufgenommenen Unterhaltungen nochmal an. Um nichts zu vergessen.
Die gesammelten Informationen werden im Anschluß an eine Regierungsorganisation weitergegeben. Die versucht auf dieser Grundlage neue Wege zur Bekämpfung von Sextourismus speziell mit minderjährigen Opfern zu finden.
*110.000 Kolumbianische Pesos sind etwa 40-45 Euro
Der Titel ist Spanisch und bedeutet "Straßenteam". Als Teil meiner Arbeit für die Fundación Renacer bin ich seit einigen Tagen und bis zum Ende des Projekts (in ca. einem Monat) das einzige ausländische Mitglied dieses Teams. Der Grund hierfür ist einfach. Die Fundación brauchte einen Mann mit europäischem Pass, Phänotyp und Sprachkenntnissen um das Team zu unterstützen. Kein Mitarbeiter der Fundación außer mir erfüllt diese Voraussetzungen.
Selten können die beiden unbefangen reden. Das Risiko, dass eine der Bediensteten Englisch versteht ist zu groß. Also wird übersetzt was der Ausländer schon weiß. Sein Spanisch reicht nach fast drei Monaten Kolumbien um einer Konversation zu folgen.
Wenn sich die augenscheinlich Jüngste zu den Beiden gesetzt hat fängt man an zu reden. Woher sie kommt. Wie lang sie schon hier ist. Stellt Fragen über das Etablissement und webt geschickt einige Fakten über die eigene Person ein. Bei Niemandem soll der Anschein erweckt werden eine Befragung durchzuführen. Es ist eine lockere, entspannte Konversation zwischen einer Dienstleisterin und einem möglichen Kunden. Für beide Seiten ist die Situation vollkommen normal. Wenn die Unterhaltung gut läuft fragt der Ausländer ob das Mädchen auch etwas trinken will. Der Kolumbianer übersetzt. Die beiden wollen Zeit gewinnen. Sich möglichst lang dort aufhalten und mit verschiedenen Personen reden. Alles ohne aufzufallen.
Eine halbe Stunde später geht der Ausländer zusammen mit dem Kolumbianer. Ohne Begleitung. Die beiden haben genug gehört und gesehen um sich ein Bild zu machen.
Kontakt zu Nordamerikanern oder Europäern aufzunehmen ist an diesen Orten nicht möglich. Wenn man die Wahl hat mit 30 hübschen Frauen oder einem fetten Ausländer zu reden mutet es merkwürdig an sich für letzteres zu entscheiden. Niemand kommt an diese Orte um mit anderen Männern zu reden.
Für die Befragung von Nicht-Kolumbianern sind die Bars besser geeignet. Das Vorgehen hier ist anders. Nachdem man langsam durch die Straßen geschlendert ist und eine Bar mit vielen Ausländern entdeckt hat stellt man sich davor. Der Kolumbianer raucht eine Zigarette, sein Partner wartet mit ihm. Nebenbei lässt man den Blick über die Tische schweifen. Wo sitzen männliche Ausländer, nicht Schwule, an die nähert man sich anders, ohne Begleitung. Nachdem ein Ort ausgemacht wurde geht der Ausländer meist vor, der Kolumbianer hält sich im Hintergrund. Heilfroh nach 3 Wochen mal wieder jemanden zu treffen, der nicht Kolumbianischen Ursprungs ist werden die neuen Freunde auf einen Drink eingeladen.
Man führt wieder eine lockere Unterhaltung. Diesmal auf Englisch und ohne das Ziel sich ein Bild vom Alter des Gegenüber zu machen. Man will über anderes Reden. Angefangen mit Reisen und Touristenatraktionen, übergeleitet zur Bevölkerung, insbesondere den Frauen endet man beim Thema Prostitution. Der Ausländer hat soetwas noch nie gemacht, würde aber gern und stellt neugierig jede Menge Fragen. Die Kontakaufnahme, Bezahlung, sexuell übertragbare Krankheiten, Arten des Geschlechtsverkehrs, noch bestehende Bindungen mit insbesondere Minderjahrigen und andere Themen werden angesprochen. Mit der Absicht den Gegenüber aus der eigenen Erfahrung erzählen zu lassen, treibt man die Unterhaltung immer weiter voran. Eine ganze Weile danach, wenn nichts mehr von Interesse aus den Gesprächspartnern herauszubekommen ist, verabschiedet man sich und geht.
Zum nächsten Zielort.
Später in der Nacht wird alles schriftlich dokumentiert. Manchmal hören sich die beiden die heimlich aufgenommenen Unterhaltungen nochmal an. Um nichts zu vergessen.
Die gesammelten Informationen werden im Anschluß an eine Regierungsorganisation weitergegeben. Die versucht auf dieser Grundlage neue Wege zur Bekämpfung von Sextourismus speziell mit minderjährigen Opfern zu finden.
*110.000 Kolumbianische Pesos sind etwa 40-45 Euro
Der Titel ist Spanisch und bedeutet "Straßenteam". Als Teil meiner Arbeit für die Fundación Renacer bin ich seit einigen Tagen und bis zum Ende des Projekts (in ca. einem Monat) das einzige ausländische Mitglied dieses Teams. Der Grund hierfür ist einfach. Die Fundación brauchte einen Mann mit europäischem Pass, Phänotyp und Sprachkenntnissen um das Team zu unterstützen. Kein Mitarbeiter der Fundación außer mir erfüllt diese Voraussetzungen.
Montag, 22. März 2010
Ein Tag wie jeder andere...
7:30 Uhr Wecker klingelt... will noch nicht aufstehen... bin müde... kann kaum einen klaren Gedanken fassen.
7:45 Uhr Sollte jetzt wirklich aufstehen. Komm' sonst zu spät zur Arbeit... andererseits ist es nicht so schlimm wenn ich 10 Minuten später da bin.
8:10 Uhr Geduscht und bedeutend wacher bereite ich mir mein Frühstück zu, setze mich an den Esstisch und genieße eine heiße Schokolade mit Cornflakes oder Brötchen und Nutella (was recht ungewöhnlich für Kolumbien ist).
8:30 Uhr Nach dem Zähneputzen und dem Packen meines Rucksacks (Wörterbuch, was zu lesen, ein wenig Geld, Mittagessen, was zu trinken, ggf. meine Sportsachen, ein Pullover) mache ich mich die 400 Meter auf den Weg zum Colectivo (eine Art Kleinbus).
9:02 Uhr Ich komme in Santa Fe an. Das Viertel ist in ganz Kolumbien bekannt für Prostitution und Drogen. Bei Insidern aber auch dafür, dass die Fundación Renacer* (mein Arbeitgeber) dort zwei Ambulatorios unterhält. Eines ist für Kinder von "sehr jung" bis 12 Jahre und das andere für Kinder von 11-17 Jahren. Die Kinder, die in mehr oder weniger intakten Familien (meist nur ein Elternteil) leben kommen morgens oder Nachmittags und besuchen oft noch die Schule.
9:30 Uhr spätestens jetzt sind die ersten Kinder da und müssen irgendwie beschäftigt werden. Meine Arbeit ist hierbei ein Mix aus Kindergarten für ältere Problemkinder, Bildungsarbeit (gelegentlich auf dem niedrigsten Niveau) und Ansprechpartner bei Problemen. Die meisten haben nie gelernt Normen und Regeln zu akzeptieren, was die Arbeit um einiges erschwert.
10:30 Uhr Da eigentlich jeden Tag jemand kommt um mit den Kindern etwas zu machen (Kunst, Musik, Theater, Computer, ...) habe ich gelegentlich Zeit mir Hintergrundwissen über die Arbeit mit (kommerziell) sexuell ausgebeuteten Minderjährigen anzueignen oder mich anderen Aufgaben zu widmen. Zu den anderen Aufgaben zählen Dinge wie zum Beispiel Abrechnungen machen, die Hefter der Kinder und Jugendlichen (jedes Kind hat einen Hefter in dem mehr oder weniger alles steht was die Fundaión weiß) kontrollieren und ggf. ergänzen oder die zuständige Person auf das Fehlen von Informationen hinweisen, Talleres (span. Mehrz. Werkstatt, die Bildungseinheiten mit den Kindern) vorbereiten, Gruppenkonfrontationen bei Problemen beiwohnen, Einzelgespräche oder Gespräche im Beisein von anderen Lehrkräften, Psychologen oder Sozialarbeitern führen, mit der Koordiantorin reden wie man in bestimmten Situationen reagieren kann und und und
12:10 Uhr Die Kinder sind jetzt mit dem Essen fertig und einige von ihnen müssen in die Schule* gebracht werden. Die Schule liegt etwa 12 Minuten Fußmarsch, vorbei an Prostituierten, Drogendealern, Obdachlosen und Straßenkindern entfernt genau im Herzen Santa Fes.
12:30 Uhr Auf dem Rückweg von der Schule schaue ich meistens noch im anderen Ambulatorio vorbei. Die Kinder sind viel jünger und freuen sich immer einen Ausländer zu sehen, außerdem hole ich meist noch 2 Ältere ab die dort Mittag essen oder es gibt etwas anderes zu klären.
13:00 Uhr Der Nachmittag sieht in der Regel wie der Vormittag aus. Gelegentlich gehen wir noch in irgendeinen Park, ein Museum oder ins Theater. Meist wird das Ganze mit einem Eis kombiniert und stellt eine willkomene Abwechslung für die Kinder dar.
17:00 Uhr Ich verlasse die Arbeit meisten in Begleitung eines oder mehrerer Kinder. Ich kaufe den Kindern ein Busticket, achte darauf das sie auch wirklich einsteigen und gehe zu meinem Bus.
17:45 Uhr An drei Tagen in der Woche mache ich noch Sport in einem Fitnessstudio in der Nähe. Der Park ist ab sechs Uhr geschlossen und deshalb bin ich gezwungen ins Gimnasio (span. Fitnesstudio) zu gehen um zu laufen oder Kraftsport zu machen.
20:30 Uhr Je nach dem ob ich beim Sport war dusche ich mich oder sitze vor dem Computer, lese die Nachrichten, schreibe mit anderen Freiwilligen und in Deutschland Zurückgebliebenen, belese mich zu Themen die meine Arbeit betreffen, gucke Filme, lerne Vokabeln oder unterhalte mich mit meinem Gastvater ...
24:00 Uhr Ärgere ich mich das es schon so spät ist und ich morgen wieder so müde sein werde.
0:31 Uhr Ich schlafe tief und fest und sammle Kraft für einen neuen Tag in Kolumbien.
Die Arbeit gewinnt mit wachsenden Spanischkenntnissen an Reiz, allerdings hoffe ich, mich in den kommenden 10 Monaten auch noch anderen Aufgabenbereichen widmen zu können. Ich hatte ein sehr interessantes Gespräch mit der Koordinatorin der Investigación (span. Untersuchung) und hoffe, dass ich hier vielleicht an 2 Tagen in der Woche tätig werden kann.
Das tolle an der Zeit hier ist, dass ich merke welche Sachen mir im Leben wichtig sind. Laut John Lennon ist Leben das, was passiert, während man geschäftig anderen Dingen nachgeht und ich habe das Gefühl langsam zu wissen, welchen anderen Dingen ich geschäftig nachgehen möchte. Man sieht viel bewegendes, aufrüttelndes hier in Bogotá, als größte Wachstumsregion Südamerikas interessant für die unterschiedlichsten Menschen und alle erdenklichen Formen des Verbrechens und der Armut. Hier gelandet zu sein ist wahrscheinlich das Beste, was mir hätte passieren können. Das Leben und die Arbeit im Projekt tragen deutlich mehr zur Persönlichkeitsentwicklung und zum Verständnis des Lebens bei, als ein früher Studienbeginn es bei mir hätte tun können.
*Fundación Renacer ist eine Nichtregierungsorganisation die seit 1988 mit dem Ziel kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Jungen, Mädchen und Jugendlichen zu verhindern in Kolumbien tätig ist. Sie widmet sich drei großen Aufgabenbereichen um dieses Ziel zu erreichen: Prävention (z.B. Aufklärung von Touristen in beliebten Urlaubszielen), umfassende Betreuung der Opfer (z.B. Heimunterbringung und Therapie) und Untersuchung des Sachverhaltes (z.B. allg. Untersuchungen zu Opferzahlen oder auch konkretes wie: auf welche Art geschieht Kontaktaufnahme, in welchen Clubs und Bars findet Prostitution von Minderjährigen statt,...).
Die konzeptionelle Perspektive und grundlegende Ethik ist die Respektierung, Verteidigung und Förderung der Rechte von Kindern (nach der UN-Kinderrechtskonvention). Z. Z. werden verschiedene Programme in den Städten Bogotá, Cartagena, Barranquilla und Arauca entwickelt und durchgeführt. (offizielle Darstellung der Organisation mit einigen Zusätzen meinerseits)
*Schule in Kolumbien: In Kolumbien gibt es kein 3-gliedriges Schulsystem wie in Deutschland sondern alle besuchen die Schule gemeinsam bis zur 11. Klasse. Ein Schüler hält sich Montags bis Freitags 4 bis 4 1/2 Stunden dort auf. Am Ende des letzten Schuljahres gibt es eine Prüfung und als Abschluss erhält man das sogenannte Bachillerato (span. Abitur). Dieser Abschluss ist natürlich keinesfalls mit dem deutschen Abitur sondern (aufgrund der wenigen Stunden und lediglich 11 Jahre) eher mit der mittleren Reife zu vergleichen. Wenn man allerdings genügend Punkte am Ende erreicht hat (und das nötige Kleingeld besitzt) darf man die Universität besuchen.
Es gibt drei Korridore um die Schule zu besuchen. Morgens von 8:00-12:00 Uhr, Nachmittags von 12:30-17:00 und Abends von 17:00 bis 21:00. Gründe hierfür sind die geringe Anzahl an Schulgebäuden, Lehrkräften und Unterrichtsmaterialien und die Tatsachen das viele tagsüber arbeiten müssen (deshalb die Möglichkeit von 17-21 Uhr).
7:45 Uhr Sollte jetzt wirklich aufstehen. Komm' sonst zu spät zur Arbeit... andererseits ist es nicht so schlimm wenn ich 10 Minuten später da bin.
8:10 Uhr Geduscht und bedeutend wacher bereite ich mir mein Frühstück zu, setze mich an den Esstisch und genieße eine heiße Schokolade mit Cornflakes oder Brötchen und Nutella (was recht ungewöhnlich für Kolumbien ist).
8:30 Uhr Nach dem Zähneputzen und dem Packen meines Rucksacks (Wörterbuch, was zu lesen, ein wenig Geld, Mittagessen, was zu trinken, ggf. meine Sportsachen, ein Pullover) mache ich mich die 400 Meter auf den Weg zum Colectivo (eine Art Kleinbus).
9:02 Uhr Ich komme in Santa Fe an. Das Viertel ist in ganz Kolumbien bekannt für Prostitution und Drogen. Bei Insidern aber auch dafür, dass die Fundación Renacer* (mein Arbeitgeber) dort zwei Ambulatorios unterhält. Eines ist für Kinder von "sehr jung" bis 12 Jahre und das andere für Kinder von 11-17 Jahren. Die Kinder, die in mehr oder weniger intakten Familien (meist nur ein Elternteil) leben kommen morgens oder Nachmittags und besuchen oft noch die Schule.
9:30 Uhr spätestens jetzt sind die ersten Kinder da und müssen irgendwie beschäftigt werden. Meine Arbeit ist hierbei ein Mix aus Kindergarten für ältere Problemkinder, Bildungsarbeit (gelegentlich auf dem niedrigsten Niveau) und Ansprechpartner bei Problemen. Die meisten haben nie gelernt Normen und Regeln zu akzeptieren, was die Arbeit um einiges erschwert.
10:30 Uhr Da eigentlich jeden Tag jemand kommt um mit den Kindern etwas zu machen (Kunst, Musik, Theater, Computer, ...) habe ich gelegentlich Zeit mir Hintergrundwissen über die Arbeit mit (kommerziell) sexuell ausgebeuteten Minderjährigen anzueignen oder mich anderen Aufgaben zu widmen. Zu den anderen Aufgaben zählen Dinge wie zum Beispiel Abrechnungen machen, die Hefter der Kinder und Jugendlichen (jedes Kind hat einen Hefter in dem mehr oder weniger alles steht was die Fundaión weiß) kontrollieren und ggf. ergänzen oder die zuständige Person auf das Fehlen von Informationen hinweisen, Talleres (span. Mehrz. Werkstatt, die Bildungseinheiten mit den Kindern) vorbereiten, Gruppenkonfrontationen bei Problemen beiwohnen, Einzelgespräche oder Gespräche im Beisein von anderen Lehrkräften, Psychologen oder Sozialarbeitern führen, mit der Koordiantorin reden wie man in bestimmten Situationen reagieren kann und und und
12:10 Uhr Die Kinder sind jetzt mit dem Essen fertig und einige von ihnen müssen in die Schule* gebracht werden. Die Schule liegt etwa 12 Minuten Fußmarsch, vorbei an Prostituierten, Drogendealern, Obdachlosen und Straßenkindern entfernt genau im Herzen Santa Fes.
12:30 Uhr Auf dem Rückweg von der Schule schaue ich meistens noch im anderen Ambulatorio vorbei. Die Kinder sind viel jünger und freuen sich immer einen Ausländer zu sehen, außerdem hole ich meist noch 2 Ältere ab die dort Mittag essen oder es gibt etwas anderes zu klären.
13:00 Uhr Der Nachmittag sieht in der Regel wie der Vormittag aus. Gelegentlich gehen wir noch in irgendeinen Park, ein Museum oder ins Theater. Meist wird das Ganze mit einem Eis kombiniert und stellt eine willkomene Abwechslung für die Kinder dar.
17:00 Uhr Ich verlasse die Arbeit meisten in Begleitung eines oder mehrerer Kinder. Ich kaufe den Kindern ein Busticket, achte darauf das sie auch wirklich einsteigen und gehe zu meinem Bus.
17:45 Uhr An drei Tagen in der Woche mache ich noch Sport in einem Fitnessstudio in der Nähe. Der Park ist ab sechs Uhr geschlossen und deshalb bin ich gezwungen ins Gimnasio (span. Fitnesstudio) zu gehen um zu laufen oder Kraftsport zu machen.
20:30 Uhr Je nach dem ob ich beim Sport war dusche ich mich oder sitze vor dem Computer, lese die Nachrichten, schreibe mit anderen Freiwilligen und in Deutschland Zurückgebliebenen, belese mich zu Themen die meine Arbeit betreffen, gucke Filme, lerne Vokabeln oder unterhalte mich mit meinem Gastvater ...
24:00 Uhr Ärgere ich mich das es schon so spät ist und ich morgen wieder so müde sein werde.
0:31 Uhr Ich schlafe tief und fest und sammle Kraft für einen neuen Tag in Kolumbien.
Die Arbeit gewinnt mit wachsenden Spanischkenntnissen an Reiz, allerdings hoffe ich, mich in den kommenden 10 Monaten auch noch anderen Aufgabenbereichen widmen zu können. Ich hatte ein sehr interessantes Gespräch mit der Koordinatorin der Investigación (span. Untersuchung) und hoffe, dass ich hier vielleicht an 2 Tagen in der Woche tätig werden kann.
Das tolle an der Zeit hier ist, dass ich merke welche Sachen mir im Leben wichtig sind. Laut John Lennon ist Leben das, was passiert, während man geschäftig anderen Dingen nachgeht und ich habe das Gefühl langsam zu wissen, welchen anderen Dingen ich geschäftig nachgehen möchte. Man sieht viel bewegendes, aufrüttelndes hier in Bogotá, als größte Wachstumsregion Südamerikas interessant für die unterschiedlichsten Menschen und alle erdenklichen Formen des Verbrechens und der Armut. Hier gelandet zu sein ist wahrscheinlich das Beste, was mir hätte passieren können. Das Leben und die Arbeit im Projekt tragen deutlich mehr zur Persönlichkeitsentwicklung und zum Verständnis des Lebens bei, als ein früher Studienbeginn es bei mir hätte tun können.
*Fundación Renacer ist eine Nichtregierungsorganisation die seit 1988 mit dem Ziel kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Jungen, Mädchen und Jugendlichen zu verhindern in Kolumbien tätig ist. Sie widmet sich drei großen Aufgabenbereichen um dieses Ziel zu erreichen: Prävention (z.B. Aufklärung von Touristen in beliebten Urlaubszielen), umfassende Betreuung der Opfer (z.B. Heimunterbringung und Therapie) und Untersuchung des Sachverhaltes (z.B. allg. Untersuchungen zu Opferzahlen oder auch konkretes wie: auf welche Art geschieht Kontaktaufnahme, in welchen Clubs und Bars findet Prostitution von Minderjährigen statt,...).
Die konzeptionelle Perspektive und grundlegende Ethik ist die Respektierung, Verteidigung und Förderung der Rechte von Kindern (nach der UN-Kinderrechtskonvention). Z. Z. werden verschiedene Programme in den Städten Bogotá, Cartagena, Barranquilla und Arauca entwickelt und durchgeführt. (offizielle Darstellung der Organisation mit einigen Zusätzen meinerseits)
*Schule in Kolumbien: In Kolumbien gibt es kein 3-gliedriges Schulsystem wie in Deutschland sondern alle besuchen die Schule gemeinsam bis zur 11. Klasse. Ein Schüler hält sich Montags bis Freitags 4 bis 4 1/2 Stunden dort auf. Am Ende des letzten Schuljahres gibt es eine Prüfung und als Abschluss erhält man das sogenannte Bachillerato (span. Abitur). Dieser Abschluss ist natürlich keinesfalls mit dem deutschen Abitur sondern (aufgrund der wenigen Stunden und lediglich 11 Jahre) eher mit der mittleren Reife zu vergleichen. Wenn man allerdings genügend Punkte am Ende erreicht hat (und das nötige Kleingeld besitzt) darf man die Universität besuchen.
Es gibt drei Korridore um die Schule zu besuchen. Morgens von 8:00-12:00 Uhr, Nachmittags von 12:30-17:00 und Abends von 17:00 bis 21:00. Gründe hierfür sind die geringe Anzahl an Schulgebäuden, Lehrkräften und Unterrichtsmaterialien und die Tatsachen das viele tagsüber arbeiten müssen (deshalb die Möglichkeit von 17-21 Uhr).
Dienstag, 2. März 2010
Die Kleine...
...ist gerade mal 14 Jahre jung. Sie heißt Paola und wenn man sie fragt ob sie ihr bisheriges Leben als außergewöhnlich betrachtet sagt sie mit klarer, fester Stimme "Nein". Sie hat viele Freundinnen mit einem ähnlichen Lebenslauf. Sie weiß, dass das ein bisschen an ihrem Viertel liegt. "Aber im Norden passiert sowas auch. Anders. Es ist versteckter" sagt sie. Zwei ihrer Schwestern arbeiten weiter im Norden, bei den Reichen, als Hausmädchen. Die mussten auch Sachen machen, die sie nicht wollten. Aber die Arbeit zu verlieren ist schlimmer.
Weit rausgekommen ist Paola noch nie. Warum auch, Santa Fe, ihr Barrio, ganze zehn mal zehn Blöcke groß hat alles was man braucht. Eine Schule, ihre Freunde und eine ganze Menge kleiner Läden in denen man Cola kaufen kann, Bonbons und andere Sachen, die einen wieder glücklich machen wenn man traurig ist. Zumindest für eine Weile. Was noch in diesen Läden passiert ist, darüber spricht sie nicht gern. Angefangen hat es damit, dass ihre Tante ihr Süßgkeiten angeboten hat. Leckere Süßigkeiten, für die sie in ihren ersten 8 Lebensjahren nie genug Geld hatte. Dafür sollte sie Sachen mit dem Freund ihrer Tante machen. Den Mann hatte sie schon einige Male in der Wohnung ihrer Eltern gesehen. Als sie dann in dem kleinen Raum hinter der Ladentheke waren wollte sie nicht mehr. Er drohte ihr weh zu tun, also machte sie was er von ihr verlangte. Nach dem dritten Mal gab ihre Tante ihr zum ersten Mal Marihuana. Wie man das raucht hat Paola bei ihren Cousins gesehen. Es war gut um zu vergessen. Die Schmerzen und die Erinnerung an das, was sie jetzt immer häufiger machen musste. Ihre Tante wollte, dass sie auch Freundinnen aus der Schule fragte, ob sie mitmachen würden. Mitmachen bei dem, was ihre Tante die "heimlichen Treffen" nannte. Sie war jetzt manchmal zusammen mit ihrer Tante oder einer Freundin in einem Bett mit einem fremden Mann oder dem neuen Freund ihrer Tante.
Viel Geld bekam sie selten für das was sie machen musste, dafür aber jede Menge Drogen. Nicht nur Marihuana. Kleber, Acid, MDMA, Koks und Alkylnitrite hat sie ausprobiert. Alkylnitrite waren dabei am besten bevor sie sich mit den Männern traf und Marihuana rauchte sie oft danach. Den Kleber nahm sie wenn ihr Bauch vor Hunger schmerzte und MDMA oder Koks wenn sie nachts vor Müdigkeit kaum noch stehen konnte. Die Drogen halfen ihr ganz gut. Konzentrieren konnte sie sich nur noch schwer aber in der Schule war sie eh schon eine Ewigkeit nicht mehr. Ob das einer der Lehrer bemerkt? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Und wenn schon, es fehlen ständig Kinder. Gemeldet hat sich nie jemand in der Wohnung ihrer Eltern.
Mit 13 hat sie dann Johanna kennen gelernt. Johanna arbeitet für eine Gruppe von Menschen, die Kindern wie Paola helfen wollen. Kurz darauf ist Paola in ein Heim umgezogen, ihre Tante hat sie jetzt schon fast ein Jahr nicht mehr gesehen und Drogen nimmt sie auch nicht mehr. Sie darf bald wieder zur Schule in die 6. Klasse gehen. Sie hat eine Menge verpasst aber Schule ist wichtig. Das weiß sie jetzt. Die Chancen eine Arbeit zu bekommen sind in ihrem Land zwar schlecht aber versuchen muss man es wenigstens. Wenn sie groß ist, will sie das selbe machen wie Johanna und Kindern helfen, die das erleben mussten, was ihr Leben 5 Jahre lang zur Hölle machte.
Ungefähr 9.000 km entfernt wächst ein anderes Mädchen auf. Sie ist 14 Jahre alt, wie Paola und auch die jüngste von 4 Geschwistern. Das andere Mädchen geht seit fast 9 Jahren ohne Unterbrechung zur Schule, lernt Querflöte spielen, hat grad ein Theaterstück mit ihrer Klasse einstudiert, ihre Eltern haben beide eine Arbeit, ein Haus und zwei Autos. Einer ihrer Brüder ist gerade in Paola's Land um Erfahrungen zu sammeln und eine Sprache zu lernen.
Er hat es sich ausgesucht für ein Jahr dort zu leben...
Weit rausgekommen ist Paola noch nie. Warum auch, Santa Fe, ihr Barrio, ganze zehn mal zehn Blöcke groß hat alles was man braucht. Eine Schule, ihre Freunde und eine ganze Menge kleiner Läden in denen man Cola kaufen kann, Bonbons und andere Sachen, die einen wieder glücklich machen wenn man traurig ist. Zumindest für eine Weile. Was noch in diesen Läden passiert ist, darüber spricht sie nicht gern. Angefangen hat es damit, dass ihre Tante ihr Süßgkeiten angeboten hat. Leckere Süßigkeiten, für die sie in ihren ersten 8 Lebensjahren nie genug Geld hatte. Dafür sollte sie Sachen mit dem Freund ihrer Tante machen. Den Mann hatte sie schon einige Male in der Wohnung ihrer Eltern gesehen. Als sie dann in dem kleinen Raum hinter der Ladentheke waren wollte sie nicht mehr. Er drohte ihr weh zu tun, also machte sie was er von ihr verlangte. Nach dem dritten Mal gab ihre Tante ihr zum ersten Mal Marihuana. Wie man das raucht hat Paola bei ihren Cousins gesehen. Es war gut um zu vergessen. Die Schmerzen und die Erinnerung an das, was sie jetzt immer häufiger machen musste. Ihre Tante wollte, dass sie auch Freundinnen aus der Schule fragte, ob sie mitmachen würden. Mitmachen bei dem, was ihre Tante die "heimlichen Treffen" nannte. Sie war jetzt manchmal zusammen mit ihrer Tante oder einer Freundin in einem Bett mit einem fremden Mann oder dem neuen Freund ihrer Tante.
Viel Geld bekam sie selten für das was sie machen musste, dafür aber jede Menge Drogen. Nicht nur Marihuana. Kleber, Acid, MDMA, Koks und Alkylnitrite hat sie ausprobiert. Alkylnitrite waren dabei am besten bevor sie sich mit den Männern traf und Marihuana rauchte sie oft danach. Den Kleber nahm sie wenn ihr Bauch vor Hunger schmerzte und MDMA oder Koks wenn sie nachts vor Müdigkeit kaum noch stehen konnte. Die Drogen halfen ihr ganz gut. Konzentrieren konnte sie sich nur noch schwer aber in der Schule war sie eh schon eine Ewigkeit nicht mehr. Ob das einer der Lehrer bemerkt? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Und wenn schon, es fehlen ständig Kinder. Gemeldet hat sich nie jemand in der Wohnung ihrer Eltern.
Mit 13 hat sie dann Johanna kennen gelernt. Johanna arbeitet für eine Gruppe von Menschen, die Kindern wie Paola helfen wollen. Kurz darauf ist Paola in ein Heim umgezogen, ihre Tante hat sie jetzt schon fast ein Jahr nicht mehr gesehen und Drogen nimmt sie auch nicht mehr. Sie darf bald wieder zur Schule in die 6. Klasse gehen. Sie hat eine Menge verpasst aber Schule ist wichtig. Das weiß sie jetzt. Die Chancen eine Arbeit zu bekommen sind in ihrem Land zwar schlecht aber versuchen muss man es wenigstens. Wenn sie groß ist, will sie das selbe machen wie Johanna und Kindern helfen, die das erleben mussten, was ihr Leben 5 Jahre lang zur Hölle machte.
Ungefähr 9.000 km entfernt wächst ein anderes Mädchen auf. Sie ist 14 Jahre alt, wie Paola und auch die jüngste von 4 Geschwistern. Das andere Mädchen geht seit fast 9 Jahren ohne Unterbrechung zur Schule, lernt Querflöte spielen, hat grad ein Theaterstück mit ihrer Klasse einstudiert, ihre Eltern haben beide eine Arbeit, ein Haus und zwei Autos. Einer ihrer Brüder ist gerade in Paola's Land um Erfahrungen zu sammeln und eine Sprache zu lernen.
Er hat es sich ausgesucht für ein Jahr dort zu leben...
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