"Tochter, such dir einen Soldaten!" Das ist der Rat den Eltern ihren Kindern mit auf den Weg geben. Sicher nicht in der ganzen Welt und auch nicht in allen Teilen Kolumbiens aber zumindest in Melgar. Hier gibt es nichts. Wochenendtourismus ist nahezu das einzige von dem die über 30.000 Einwohner leben. Wenn wir Workshops mit Müttern in den ärmeren Viertel veranstalten wollen und fragen welcher Tag der Beste ist, bekommen wir fast immer die selbe Antwort. Jeder, bloß nicht am Wochenende. Am Wochenende kann man auf der Straße Filme, Eis, Getränke und Essen verkaufen oder in den Fincas der Reichen putzen und kochen. Das einzige Einkommen vieler Familien.
Wir sind jetzt fertig mit unserer Diagnose in Melgar und die Ergebnisse sind besorgniserregend. Es gibt keinerlei Programme für die Opfer von sexueller kommerzieller Ausbeutung, die Polizei arbeitet in den Augen des Bürgermeisteramtes hart, wenn man die Kinder in den Schulen oder die Mütter auf der Straße fragt, was die Polizei macht, bekommt man auch nach längerem bohren nur eine kurze Antwort. "Nichts!"
Das Ministerium für Kinder und Familie und die Polizei haben keinen einzigen registrierten Fall von kommerzieller sexueller Ausbeutung Minderjähriger, die Anzahl der im Krankenhaus mit Infektionen von sexuell übertragbaren Krankheiten Behandelten hat bei den Minderjährigen und Soldaten zwei Ziffern zuviel um sich in einem normalen Rahmen zu bewegen. Einen Zusammenhang will trotzdem niemand sehen.
Soldaten sind hier die besten "Kunden". Wenn man am Wochenende durch die Straßen zieht sieht man viele der Streitkräfte in Begleitung von ein oder zwei Frauen. Geschätzte 90 Prozent der weiblichen Begleiterinnen werden dafür auf die eine oder andere Art bezahlt.
Seit einiger Zeit gibt es in Kolumbien ein neues Jugendschutzgesetz. Viele Mütter und Väter sehen darin einen der Gründe warum die Kinder in Prostitution enden. Wie soll man Töchter und Söhne erziehen, wenn man sie nicht mehr schlagen darf? Da fehlen uns die Wort. Eine der vielen Empfehlungen für die öffentlichen Einrichtungen hier wird es sicher sein Mütter und Väter bezüglich Erziehung von Kindern fortzubilden.
Minderjährigen sollte es laut Gesetz eigentlich unmöglich sein ohne Begleitung der Eltern nachts ein Hotel zu betreten. Die Klienten und Jugendlichen haben trotzdem in keinem der etwa 150 Vorhandenen ein Problem, ein Zimmer zu bekommen.
Ich hatte dank eines "weltwärts"-Seminars die Möglichkeit ein Wochenende auszuspannen. Es war interessant mit den vielen Neuangekommen zu sprechen.
Am Mittwochabend werden wir uns in die nächste Gemeinde aufmachen. Von Nilo aus werden wir dann noch eine Gesprächsgruppe mit in Melgar stationierten, amerikanischen Soldaten vorbereiten. Das einzige noch fehlende Puzzleteil.
Wie viele weitere Mädchen bis dahin dem Rat ihrer Eltern gefolgt sind lässt sich schwer sagen. Das es viele sind, bezweifel ich nicht.
Dienstag, 17. August 2010
Mittwoch, 28. Juli 2010
Melgar I
Ich bin bereits seit 12 Tagen in Melgar, eine Gemeinde mit einem Dorf etwa 2,5 Stunden westlich von Bogotá. Die Internetverbindung ist ein langsam funktionierendes UMTS-Modem, das zu allem Übel auch noch kaputt war.
Die Arbeit hier ist anders, Melgar hat nicht mehr als 30.000 Einwohner und etwa 50.000 Betten für Touristen die übers Wochenende kommen. Dass ich hier sein kann, ist für mich wirklich gut. Einerseits als Wertschätzung der Arbeit die ich in Bogotá machen konnte und andererseits nicht zu vergleichen. Das Dorf! ist ziemlich klein und alles funktioniert hier ein bisschen anders. In Melgar gibt es nichts außer Hitze, Pools und Party. Viele Bogotaner haben hier eine Wochenendhaus und kommen gelegentlich um der „Kälte“ Bogotás zu entfliehen und ein bisschen auszuspannen. Außerdem gibt es eine Militärbasis, die größte Kolumbiens und hier machen auch jede Menge Ausländer ihre Ausbildung. Mit einem Sold der Army Of The United States lebt es sich ziemlich gut in Kolumbien und diese Möglichkeit wird zu Genüge von den „Gringos“ ausgenutzt. Das Level der kommerziellen sexuellen Ausbeutung von Minderjährigen hier ist beeindruckend. Wenn man die Taxifahrer fragt was die Leute so sehr nach Melgar zieht sagt fast jeder „Sexo, Trago y Rumba“ (span.: Sex, Drinks und Party).
In kurzen Worten, Melgar kommt mir vor wie der wilde Westen. Hier kann man alles machen und niemand sagt was. Während Wahlen oder z.B. zum Tag der Unabhängigkeit (20. Juli) ist es hier verboten alkoholhaltige Getränke zu verkaufen oder an öffentlichen Orten zu konsumieren. Trotzdem haben viele Leute Bier und Likör getrunken. Ein alter Mann hat sich lautstark über die Soldaten, die den Marsch für den nächsten Tag übten, lustig gemacht und auf all das gab es keinerlei Reaktion. Auch was die kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Minderjährigen angeht ist man sich im Bürgermeisteramt durchaus der Situation bewusst und kennt die Orte, gemacht wird trotzdem nichts. Es gibt zwar jede Menge Initiativen, die sich allerdings alle auf den Aspekt der Prävention beziehen. Professionelle Hilfe für die Opfer haben wir in den letzten 12 Tagen nicht entdeckt. In der Fundación Renacer machen die Kinder und Jugendlichen normalerweise einen Prozess von einer Dauer von 18 Monaten. Dafür fehlen hier in Melgar einfach die personellen und finanziellen Kapazitäten.
Ansonsten geht es mir ziemlich gut mit meiner Arbeit. Ich habe wenig Freizeit da wir 7 Tagen die Woche etwa 10-12 Stunden arbeiten und den Rest der Zeit damit beschäftigt sind unsere Arbeit zu planen und uns selbst vor allem bezüglich verschiedener sexuell übertragbarer Krankheiten fortzubilden. Die Arbeit hier ist wesentlich umfassender als in Bogotá, da wir nicht nur mit den Betroffenen reden und unsere Beobachtungen verschiedener Orte systematisieren sondern uns ebenfalls an Institutionen und Offizielle in den verschiedenen Wohnvierteln annähern. Wir führen Gesprächsgruppen mit sozialen Akteuren, Polizisten und Mitarbeitern einiger nationaler Ministerien durch, sprechen mit Müttern und organisieren Workshops in Schulen. Alles in Allem sehr abwechslungsreich und umfassend. Ich bin ein weiteres Mal ziemlich froh über die Möglichkeiten die sich hier bieten.
Von der Arbeit habe ich leider keine Bilder, das Haus in dem ich noch bis Freitag wohne, sollt ihr trotzdem sehen. Ab diesem Wochenende werden wir in Hotels übernachten. Alle drei Tage wechseln wir das Hotel mit der Absicht möglichst viel von den verschiedenen Bediensteten zu erfahren.
Dienstag, 20. Juli 2010
Beschreibung der Untersuchung der kommerziellen sexuellen Ausbeutung Minderjähriger (KSAM) in Bogotá (Kolumbien) in Verbindung mit Tourismus und Reisen aus Sicht eines Ausländers
Hierbei handelt es sich um Ausschnitte meiner Erfahrungen in Bogotá. Zur Zeit sind wir gerade in 5 Gemeinden etwa 2-3 Stunden außerhalb gelegen tätig. Wie es mir hier so ergeht werde ich in den nächsten Tagen mal schreiben.
Als ich mir darüber Gedanken machte, wie es sein wird für ein Jahr in Bogotá (Kolumbien) zu leben, kreisten meine Gedanken sehr intensiv um meine Arbeit. Die Idee des Regierungsprogramms welches meinen Aufenthalt zu einem großen Teil finanziert (“weltwärts”) ist, dass ich in einem sozialen Projekt, akkreditiert durch die deutsche Regierung, arbeite. Kurz vor meiner Ausreise stand fest, dass ich in der Fundación Renacer arbeiten werde. Eine Organisation die sich der Bekämpfung von sexueller kommerzieller Ausbeutung Minderjähriger verschrieben hat.
Dies war vollkommen neu für mich. In Deutschland habe ich bereits mit Kindern und Jugendlichen gearbeitet, allerdings in einem anderen Kontext. Zudem habe ich Erfahrungen in der Arbeit mit Flüchtlingen, welche die Krisenszenarien ihrer Länder verlassen um sich erneut in ungeschützten Situationen zu befinden. Meine neue Arbeit ist eine Mischung der beiden vorherigen: Minderjährige in verletzlichen Situationen.
Meine persönlichen Motivationen waren nicht nur eine neue Sprache und ein Land des politischen Südens kennen zu lernen sondern auch den Bewohnern im Rahmen meiner Möglichkeiten zu helfen.
Die ersten Monate meines Aufenthaltes arbeitete ich in zwei verschiedenen Aufnahmezentren für Kinder und Jugendliche um deren Situation besser verstehen zu können. Hierbei handelte es sich um einen interessanten, wenngleich sehr beschränkten Einblick in die Welt der KSAM. Hatte ich doch die Möglichkeit die Opfer, jedoch nicht die konkreten Situationen der Ausbeutung kennen zu lernen.
Nach einiger Zeit bot mir die Fundación Renacer die Möglichkeit der Mitarbeit in einem Projekt mit deutlich anders gelagertem Aufgabenfeld an.
Das Team, welches zur Aufgabe hatte die KSAM in Bogotá zu untersuchen sah sich mit dem Problem konfrontiert, dass sich viele der Ausländer in sehr geschlossene Gruppen befinden. Viele der Touristen und Reisenden, die in die Hauptstadt Kolumbiens kommen, tun dies in der Überzeugung, dass es sich beim Großteil der Bevölkerung um Diebe und Drogenverkäufer handelt. Mit meinem ganz offensichtlich nicht Südamerikanischen Phänotyp und meinen Kenntnissen der Englischen und Deutschen Sprache, habe ich die Möglichkeit deutlich leichteren Zugang zu diesen Gruppen zu finden.
Ich stellte mir zu Recht vor, dass ich in dieser Arbeit die Möglichkeit habe mehr über das Leben der jungen Menschen in Kolumbien zu erfahren.
Ich verließ die sichere Umgebung meiner kolumbianischen Familie, der “ruhigen” Arbeit im Ambulatorio und aller Orte in Bogotá die ich bis zu diesem Zeitpunkt kennen gelernt habe.
Bogotá als Stadt ist ganz anders als alle großen Städte Deutschlands oder Europas die ich bis zu diesem Zeitpunkt kennen gelernt habe. Die Armut erreicht Dimensionen, die man in den Agglomerationsräumen des politischen Nordens als solche nicht beobachten kann. Der Unterschied zwischen den Reichsten und Ärmsten Teilen der Bevölkerung ist auf unangenehme Art und Weise beeindruckend. Dieser Unterschied ist in allen Bereichen des Lebens sichtbar. Häuser, Essen und Kleidung sind unterschiedlich und was mir vor allem in Bezug auf die Untersuchung der KSAM stark aufgefallen ist, sind die Unterschiede zwischen Diskotheken, Bars und anderen Orten der Unterhaltung. In der Zona Rosa, vergleichbar mit den Kölner Ringen, kostet das gleiche Bier wie im Süden den drei- bis vierfachen Preis.
Die Möglichkeiten verhältnismäßig billig Partys und Drogen zu finden ist einer der Gründe warum vor allem viele Europäer und Nordamerikaner die Stadt aufsuchen.
Trotzdem sollte man auch die Anziehungskraft vieler touristischer Attraktionen wie Museen und zum Beispiel Monserrate nicht unterschätzen. Bogotá ist nicht nur eine Stadt mit großen Problemen sondern wirkt auch wie ein Magnet auf Leute die kommen um Geschäfte zu machen; in vielerlei Hinsicht ein Zentrum der Entwicklung. In Bezug auf meine Erfahrungen mit (Geschäfts-)Reisenden und Touristen kann ich bestätigen, dass deutlich mehr Personen nach Bogotá kommen um zu arbeiten oder Geschäfte zu machen, als Touristen, die lediglich die Absicht haben etwas Neues kennen zu lernen und zu entspannen.
Nach drei Monaten Feldforschung bin ich überzeugt, das der Großteil der Ausländer in Bogotá nicht anreist um Sex (mit Minderjährigen) zu suchen. Allerdings muss man sagen, dass viele die sich bietenden Möglichkeiten wahrnehmen und Geschlechtsverkehr mit Opfern sexueller kommerzieller Ausbeutung außerhalb ihres Landes haben. Da, wo sie sich in sicherer Anonymität wissen.
In Bogotá, vor allem in der Schwulenszene wird der Jugend große Beachtung geschenkt. Es existieren z. B. Bars und Diskotheken mit ermäßigtem Eintritt für Personen unter 21 Jahren. Aufgrund der Nähe der (Schwulen-)Szene zur Prostitution von Jungen und Männern (nahezu Verschmelzung in einigen Teilen Bogotás), überträgt sich diese Beachtung auch auf die kommerzielle sexuelle Ausbeutung. Im Allgemeinen sind die Klienten nicht pädophil (Pädophilie charakterisiert sich vor allem über drei Merkmale: 1. “Das sexuelle Interesse gilt Kindern, die sich vor der Pubertät im Sinne der Geschlechtsreifung befinden. [2.] Das sexuelle Interesse ist dabei primär, das heißt ausschließlich bzw. überwiegend und ursprünglich auf Kinder ausgerichtet.
[3.] Das sexuelle Interesse ist zeitlich überdauernd.”*), wobei das große Vorhandensein und der einfache Zugang zum “Frischfleisch” als wesentliche Faktoren genannt werden können, die die KSAM fördern/erleichtern.
Des Weiteren habe ich das Gefühl, dass eine breite Akzeptanz der Prostitution in weiten Teilen der Gesellschaft besteht. Kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Personen über 18 Jahren scheint nichts Ungewöhnliches zu sein. Bis zur Akzeptanz der KSAM ist es dann nur noch ein kleiner Schritt.
Viele der Kinder und Jugendlichen enden als Opfer von Prostitution aufgrund des Fehlens von Perspektiven und Arbeit. Wir haben immer wieder mit Jugendlichen gesprochen, die ihr Studium selbst finanzieren müssen (in Kolumbien gibt es kaum öffentliche Hochschulen) oder dem Druck in den eigenen Familien einen finanziellen Beitrag zu leisten aufgrund verschiedener Faktoren nicht standhalten können. Zudem kommt ein bemerkenswerter hoher Prozentsatz an Personen, die bereits eigene Kinder besitzen.
Die bereits oben erwähnten bestehenden Unterschiede zwischen Arm und Reich sind ebenfalls in der kommerziellen sexuellen Ausbeutung zu beobachten. Oft ist es möglich eine Anzahl von Gründen vorauszusagen warum die Person sich in dieser Situation befindet, wenn man den Ort kennt, in dem sie ausgebeutet wird. Ein 15 Minütiger “Service” kostet zwischen 8.000 und 200.000 Pesos (3 bis etwa 85 Euro) und der Preis spiegelt den späteren Gebrauch des Geldes wieder. Zum einen zu Zwecken der Studienfinanzierung und zum anderen für Drogen wie Marihuana oder Kleber.
Ein anderer Faktor, der die KSAM vereinfacht ist der Fortschritt, den das Internet in den letzten Jahren gemacht hat. Viele der Jugendlichen haben Zugang zu Netz und hier finden sich unzählige Seiten zur Kontaktaufnahme mit den “Kunden” (erstaunlicherweise in vielen Fällen Facebook), dem Austausch pornografischen Materials welches sexuelle Handlungen von oder an Minderjährigen einschließt oder auch sogenannte Webcam Angebote (die zumeist Jugendlichen vollziehen sexuelle Handlungen am eigenen Körper entsprechend der Anweisungen des oft ausländischen Publikums).
An diesem Punkt wurde die Untersuchung der KSAM im Zusammenhang mit Reisen und Tourismus sehr schwer. Die zum Zwecke der Feldforschung eingerichteten Konten auf diversen Kontaktplattformen (z.B. GayRomeo, ManHunt, BogotáGay, Facebook) führten nur selten zu brauchbaren Ergebnissen. Was zu deutlich besseren Ergebnissen und auswertbaren Daten führte war die Suche nach und in Foren und Blogs die sich explizit an die Konsumenten von Prostitution wendeten. Detaillierte Informationen über verschieden Etablissements in der ganzen Stadt wie z.B. Anschrift, Anzahl der vorhandenen Frauen, Preise von Getränken und Services und Tagen und Uhrzeiten an denen man die beste Stimmung finden kann sowie Telefonnummern und Namen von Taxifahrern, die gegen ein Entgelt von meist um die 40.000 Pesos (17 Euro) pro Stunde eine Tour durch die verschiedenen Etablissements mit den Kunden machen sind ein hervorragendes Beispiel für den Austausch und die Verbindung zwischen den Konsumenten in der ganzen Welt. Der schnelle Zuwachs an diesen Formen der KSAM und immer weiter wachsende Austausch an Wissen entspringt dem einfach Grund, dass all dies möglich ist ohne seine Identität preiszugeben.
Während der Arbeit in den Zonen der Prostitution konnten wir immer wieder beobachten, dass mit dem sozialen Status und der speziellen Situation der Opfer bestimmte Probleme einhergehen. Das meiner Meinung nach größte Problem ist die Tatsache, dass viele der Jugendlichen (14-17 Jahre) und Heranwachsenden (18-21 Jahre) ihre Situation nicht als Problem verstehen oder nicht bemerken, dass sie sexuell ausgebeutet werden. Vor allem in der Homosexuellen-Szene kommt es öfter vor, dass die Jugendlichen bei ihren Klienten für 2-4 Wochen wohnen und der Sex mit Kleidung, technischen Geräten (z.B. Handys, IPods) und Einladungen in Szenebars oder Diskotheken bezahlt wird. Das es sich hierbei um einen Prozess der Verstraßung handelt entzieht sich der Kenntnis der Opfer. Personen, die ihre Situation nicht als Problem oder gefährlich ansehen lässt sich nur schwer helfen.
Des weiteren bewerten einige Mädchen/junge Frauen ihr Leben als “gut” aufgrund der Tatsache, dass sie in sehr teuren, exklusiven Etablissements “arbeiten”. Hierbei bekamen wir immer wieder zu hören, dass es sich um einen zeitlich begrenzten Job handelt und lediglich dazu dient das Studium zu finanzieren. Tatsache ist jedoch, dass nach dem Bachelor irgendwann der Master kommt und anschließend die Jobmöglichkeiten in Kolumbien immer noch begrenzt sind. Wenn man erstmal in dieser Situation ist und sich selbst nicht als Opfer, das Hilfe benötigt betrachtet wird man immer wieder in alte Muster zurückfallen (z.B. wenn man Arbeit hat, dass Einkommen aber nicht ausreicht, um sich den VW oder das schöne Appartement zu leisten).
Ein weiteres Problem, welches vor allem in den Etablissements niedrigerer sozialer Klassen existiert ist das Risiko Krankheiten, die durch Körperflüssigkeiten oder sexuelle Kontakte übertragen werden zu erwerben. Das Fehlen von ausreichendem Schutz und regelmäßigen ärztlichen Kontrollen sind hierbei als ausschlaggebend zu nennen.
Während unserer Arbeit im Feld sah ich mich immer wieder mit persönlichen oder ethischen Problemen konfrontiert. Niemals zuvor in meinem Leben hatte ich die Möglichkeit die Problematik der kommerziellen sexuellen Ausbeutung so intensiv in der Realität kennen zu lernen. Diese Konfrontation, gepaart mit der Tatsache, dass man zumindest während der verdeckten Arbeit keine Hilfe anbieten kann waren deutlich schwieriger (zu verarbeiten) als die eigentliche Arbeit im Feld.
Ein in der Praxis immer wieder auftretendes ethisches Problem ist, dass wir Minderjährige zum Trinken stark alkoholhaltiger Getränke einladen mussten. In vielen der Etablissements wird ein Minimalkonsum vorgeschrieben (z.B. eine halbe Flasche Rum oder Wodka). Für uns eine gute Möglichkeit die jüngste(n) der vorhandenen Personen einzuladen.
Andererseits habe ich verhältnismäßig viel über die Stadt im Allgemeinen und die KSAM in Bogotá im Speziellen gelernt. Dieses Wissen erleichtert es mir die Einzelsituation der Minderjährigen, welche sich in den Tageszentren oder Heimen der Fundación Renacer aufhalten zu verstehen und somit weiter offen zu sein.
Etwas anderes, das vor allem für mich als Ausländer interessant ist, war der Austausch mit anderen Menschen aus Europa oder Nordamerika. Der Vergleich zwischen verschiedenen persönlichen Motivationen komplettierte meine Wahrnehmung von Stadt und Menschen.
Zusammenfassend kann ich sagen, dass die Situationen in denen sich die Opfer sexueller kommerzieller Ausbeutung befinden gravierend sind. Das Fehlen von Alternativen und die unmittelbaren Risiken (neben psychologischen Faktoren wie Traumatisierung, sinkendes/fehlendes Selbstwertgefühl,...) machen die Situation äußerst gefährlich für Minderjährige. Der Tatsache geschuldet, dass die Arten der KSAM und die Einzelsituationen der Opfer eine große Bandbreite aufweisen ist es schwer eine Generalstrategie zur Bekämpfung kommerzieller sexueller Ausbeutung Minderjähriger zu entwickeln. In Bezug auf den Sextourismus im Allgemeinen ist es wichtig sich in Erinnerung zu rufen, dass solange es Nachfrage gibt auch das Angebot existieren wird. Was die Auslöschung der Nachfrage empfehlenswerter macht. Die spezielle Situation Bogotás, dass deutlich mehr Geschäftsreisende als Touristen die Stadt besuchen, erfordert jedoch eine stärkere Bekämpfung des Angebots und eine Sensibilisierung der Gesellschaft für die Problematik. Erfolgreich sind aber mit Sicherheit nur Strategien die eine Zusammenarbeit von Sendeländern und Empfangsländern der Touristen vorsehen.
Ich persönlich bin froh darüber in einem Projekt tätig zu sein, dass nicht nur Symptome behandelt, sondern versucht die Grundlage für die erfolgreiche Entwicklung von Strategien zur Bekämpfung kommerzieller sexueller Ausbeutung mit minderjährigen Opfern im Kontext von Reisen und Tourismus zu schaffen.
*aus Wikipedia der freien Enzyklopädie
Montag, 21. Juni 2010
Wahlen, Korruption und merkwürdige Umfragen
Aufgrund eines bewegenden Ereignisses hier in Kolumbien sehe ich mich gezwungen innerhalb sehr kurzer Zeit einen weiteren Blogeintrag zu verfassen.
Am 30. Mai 2010 fand die erste Runde der Präsidentschaftswahlen für die Legislaturperiode 2010 bis 2014 statt. Da es sich im Gegensatz zur deutschen parlamentarischen Demokratie bei Kolumbien um eine Präsidialrepublik handelt ist das Amt des Präsidenten mit vergleichsweise großer Macht und starkem Einfluss ausgestattet. Die Befugnisse sind also weniger mit denen des dahingeschiedenen Horst Köhler zu vergleichen, sondern haben eher das Format derer eines Barack Obamas. Kein Wunder also, dass man sich besonders viel Mühe gibt Staatsoberhaupt in Kolumbien zu werden.
Die geltende kolumbianische Verfassung, am 5. Juli 1991 per Volksentscheid verabschiedet, gilt als eine der fortschrittlichsten der Welt und teilt die Mächte - wie in Deutschland - in Legislative (gesetzgebene), Exekutive (ausführende) und Judicative (Recht sprechende).
In der Praxis ist es jedoch so, dass aufgrund von "persönlichen" Abhängigkeitsbeziehungen und der immer wieder zu beobachtenden Durchsetzung partikularer Interessen der Kongress nahezu gelähmt ist. Bei den unterschiedlichen Gerichtshöfen existieren Kompetenzüberschneidungen und aufgrund dieser unklaren Zuständigkeiten ist auch das Justizsystem in Teilen nicht in der Lage zu agieren. Zu allem kommt eine ordentliche Portion Nepotismus und Korruption in allen Teilen der Staatsverwaltung und plötzlich ist der Präsident mächtiger als in der Theorie gewollt.
Dem dahinscheidenen Staatsoberhaupt Álvaro Uribe ist so eine Verfassungsänderung gelungen, die seine Wiederwahl 2006 erlaubte. Die konservativen Abgeordneten Yidis Medina gab im Nachhinein zwar zu bestochen worden zu sein, was ihr einen 4 Jährigen Gefängnissaufenthalt bescherte, angetastet wurde das einmal Beschlossene trotzdem nicht.
Jetzt war es also wieder soweit. Eine neue Wahl zum Amt des Präsidenten stand an und das erste Mal in der Geschichte unserer Erde hatte ein grüner Politiker die Möglichkeit Staatsoberhaupt zu werden. Antanas Mockus, bei den Wahlen 2006 deutlich am mit 62,2 Prozent in der ersten Runde wiedergewählten Uribe gescheitert, stellte sich auch dieses Jahr wieder zur Wahl zum Präsidenten. Seine Umfragewerte entwickelten sich im Laufe der Zeit und es sah so aus als würde es zu einem Kopf an Kopf Rennen zwischen Antanas Mockus und Juan Manuel Santos, dem Ziehsohn Uribes werden. Mockus, vor allem populär durch seine transparente Haushaltspolitik als Bürgermeister von Bogotá und dem Ziel Bildung zur Priorität in Kolumbien zu machen wurde zum Hoffnungsträger auf einen Wechsel nach Jahren der Korruption und willkürlicher Militärgewalt unter Präsident Uribe.
Bei den letzten Umfragen am 20.,21. und 22. Mai von verschiedenen Instituten veröffentlicht, wird es eindeutig. Wenige Tage vor der Wahl hat der Uribista Juan Manuel Santos einen hauchdünnen Vorsprung vor Antanas Mockus. Aufgrund der Tatsache dass keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit in der ersten Runde gewinnt, rechnen alle mit einem zweiten Wahlgang.
In den Abendstunden des 30.05.2010 kam dann die Ernüchterung für die vielen Anhänger Mockus'. Juan Manuel Santos wurde zwar nicht sofort Präsident hatte aber mit 46,7 Prozent der Stimmen einen komfortablen Vorsprung auf den an zweiter Stelle mit 21,5 Prozent weit abgeschlagenen Mockus.
An dieser Stelle möchte ich einen kleinen Exkurs zu den Präsidentschaftswahlen 2008 in den USA und den Bundestagswahlen 2009 in Deutschland machen. Hierbei sollen vor allem die Umfragen im Vorfeld der Wahlen interessieren.
Am 1. November 2008 erziehlte Barack Obama in den Umfragen 50,4 Prozent der Stimmen und lag somit fast sieben Prozent vor John McCain (43,6 %).
Am 2. November sahen die Umfragen folgendermaßen aus:
Obama: 50,7 % und McCain: 44,3 %.
Am 3. November: Obama führt mit 51,6 % vor McCain (44,3 %).
Bei der letzten Umfrage am 4. November haben sich Obama's Werte noch ein bisschen verbessert. Sie liegen jetzt bei 52,1 % gegenüber den 44,5 % McCain's stellt das einen ausreichenden Vorsprung um die Wahl zu gewinnen dar.
Kurz danach wird der Wahlausgang bekannt. 52,92 Prozent für den nun amtierenden Barack Obama. John McCain muss sich mit 45,67 Prozent geschlagen geben.
Die Umfragen spiegeln äußerst genau die später bei der Wahl erziehlten Stimmenanteile wider.
In Deutschland sah es im Jahr 2009 folgendermaßen aus:
Auch hier kann man sehen, dass die Umfrageergebnisse verblüffend nah am tatsächlichen Ausgang der Wahl liegen.
Warum also dieser extreme Unterschied zwischen Umfragen und Wahlausgang in Kolumbien. Entweder die Institute in Kolumbien taugen absolut garnichts oder auch dieses Mal wurden die Wähler in Kolumbien Opfer von Korruption.
Bereits bei den Wahlen im Jahr 2006 sind Stimmen, dass der Ausgang verfassungswiedrig zu Gunsten Uribes beinflusst wurde, laut geworden.
Es sollte also zu einer zweiten Runde der Wahl kommen. Ausgetragen am 20. Juni 2010.
Um es kurz zu machen: es kam, wie es kommen musste. Antanas Mockus, Leuchtfeuer im stürmenden Meer der Korruption Kolumbiens ging mit 27,5 Prozent kläglich unter. Mit ihm versank die Aussicht auf den Aufbau eines kolumbianischen Rechtsstaats in den nächsten vier Jahren. Juan Manuel Santos gewann mit 68,9 Prozent der Stimmen und Kolumbien darf weitere Jahre der Falsos Positivos*, Korruption und Politik Uribes erleben.
Die Hoffnung auf eine von Weitsichtigkeit und Zukunftsorientierung geprägte Politik darf 2014 wohl wieder ausgepackt werden.
Dann, wenn wieder Wahlprogramme geschrieben und Brieftaschen gezückt werden.
*"Auf jeden Guerilla-Kämpfer, egal ob tot oder lebendig gefangen genommen, ist einer geheimen Armeedirektive zufolge ein Kopfgeld von umgerechnet 1300 Euro ausgesetzt. Dies führte dazu, dass bis zu 3000 Unschuldige ermordet und als gefallene Guerilla-Kämpfer ausgegeben wurden, in dem man ihnen beispielsweise einfach FARC-Uniformen angezogen hatte." (Aus Wikipedia der freien Enzyklopädie)
Diese Armeedirektive wurde vom damaligen Verteidigungsminister Juan Manuel Santos unterzeichnet. Erstaunlich war, dass besonders vor den Weihnachtsfeiertagen die Anzahl der ermordeten FARC-Mitglieder stieg. Dies hängt wohl damit zusammen, dass es zu den 1300 Euro auch noch ein paar zusätzliche freie Tage gab. Wer will zwischen Weihnachten und Neujahr nicht bei der Familie sein? Ein paar Unschuldige Tote mehr spielen dabei auch keine Rolle.
Der Focus hat Ende 2009 einen Artikel zum Thema der Falsos Positivos verfasst - Klicken um zum Artikel zu gelangen
Am 30. Mai 2010 fand die erste Runde der Präsidentschaftswahlen für die Legislaturperiode 2010 bis 2014 statt. Da es sich im Gegensatz zur deutschen parlamentarischen Demokratie bei Kolumbien um eine Präsidialrepublik handelt ist das Amt des Präsidenten mit vergleichsweise großer Macht und starkem Einfluss ausgestattet. Die Befugnisse sind also weniger mit denen des dahingeschiedenen Horst Köhler zu vergleichen, sondern haben eher das Format derer eines Barack Obamas. Kein Wunder also, dass man sich besonders viel Mühe gibt Staatsoberhaupt in Kolumbien zu werden.
Die geltende kolumbianische Verfassung, am 5. Juli 1991 per Volksentscheid verabschiedet, gilt als eine der fortschrittlichsten der Welt und teilt die Mächte - wie in Deutschland - in Legislative (gesetzgebene), Exekutive (ausführende) und Judicative (Recht sprechende).
In der Praxis ist es jedoch so, dass aufgrund von "persönlichen" Abhängigkeitsbeziehungen und der immer wieder zu beobachtenden Durchsetzung partikularer Interessen der Kongress nahezu gelähmt ist. Bei den unterschiedlichen Gerichtshöfen existieren Kompetenzüberschneidungen und aufgrund dieser unklaren Zuständigkeiten ist auch das Justizsystem in Teilen nicht in der Lage zu agieren. Zu allem kommt eine ordentliche Portion Nepotismus und Korruption in allen Teilen der Staatsverwaltung und plötzlich ist der Präsident mächtiger als in der Theorie gewollt.
Dem dahinscheidenen Staatsoberhaupt Álvaro Uribe ist so eine Verfassungsänderung gelungen, die seine Wiederwahl 2006 erlaubte. Die konservativen Abgeordneten Yidis Medina gab im Nachhinein zwar zu bestochen worden zu sein, was ihr einen 4 Jährigen Gefängnissaufenthalt bescherte, angetastet wurde das einmal Beschlossene trotzdem nicht.
Jetzt war es also wieder soweit. Eine neue Wahl zum Amt des Präsidenten stand an und das erste Mal in der Geschichte unserer Erde hatte ein grüner Politiker die Möglichkeit Staatsoberhaupt zu werden. Antanas Mockus, bei den Wahlen 2006 deutlich am mit 62,2 Prozent in der ersten Runde wiedergewählten Uribe gescheitert, stellte sich auch dieses Jahr wieder zur Wahl zum Präsidenten. Seine Umfragewerte entwickelten sich im Laufe der Zeit und es sah so aus als würde es zu einem Kopf an Kopf Rennen zwischen Antanas Mockus und Juan Manuel Santos, dem Ziehsohn Uribes werden. Mockus, vor allem populär durch seine transparente Haushaltspolitik als Bürgermeister von Bogotá und dem Ziel Bildung zur Priorität in Kolumbien zu machen wurde zum Hoffnungsträger auf einen Wechsel nach Jahren der Korruption und willkürlicher Militärgewalt unter Präsident Uribe.
Bei den letzten Umfragen am 20.,21. und 22. Mai von verschiedenen Instituten veröffentlicht, wird es eindeutig. Wenige Tage vor der Wahl hat der Uribista Juan Manuel Santos einen hauchdünnen Vorsprung vor Antanas Mockus. Aufgrund der Tatsache dass keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit in der ersten Runde gewinnt, rechnen alle mit einem zweiten Wahlgang.
In den Abendstunden des 30.05.2010 kam dann die Ernüchterung für die vielen Anhänger Mockus'. Juan Manuel Santos wurde zwar nicht sofort Präsident hatte aber mit 46,7 Prozent der Stimmen einen komfortablen Vorsprung auf den an zweiter Stelle mit 21,5 Prozent weit abgeschlagenen Mockus.
An dieser Stelle möchte ich einen kleinen Exkurs zu den Präsidentschaftswahlen 2008 in den USA und den Bundestagswahlen 2009 in Deutschland machen. Hierbei sollen vor allem die Umfragen im Vorfeld der Wahlen interessieren.
Am 1. November 2008 erziehlte Barack Obama in den Umfragen 50,4 Prozent der Stimmen und lag somit fast sieben Prozent vor John McCain (43,6 %).
Am 2. November sahen die Umfragen folgendermaßen aus:
Obama: 50,7 % und McCain: 44,3 %.
Am 3. November: Obama führt mit 51,6 % vor McCain (44,3 %).
Bei der letzten Umfrage am 4. November haben sich Obama's Werte noch ein bisschen verbessert. Sie liegen jetzt bei 52,1 % gegenüber den 44,5 % McCain's stellt das einen ausreichenden Vorsprung um die Wahl zu gewinnen dar.
Kurz danach wird der Wahlausgang bekannt. 52,92 Prozent für den nun amtierenden Barack Obama. John McCain muss sich mit 45,67 Prozent geschlagen geben.
Die Umfragen spiegeln äußerst genau die später bei der Wahl erziehlten Stimmenanteile wider.
In Deutschland sah es im Jahr 2009 folgendermaßen aus:
Auch hier kann man sehen, dass die Umfrageergebnisse verblüffend nah am tatsächlichen Ausgang der Wahl liegen.
Warum also dieser extreme Unterschied zwischen Umfragen und Wahlausgang in Kolumbien. Entweder die Institute in Kolumbien taugen absolut garnichts oder auch dieses Mal wurden die Wähler in Kolumbien Opfer von Korruption.
Bereits bei den Wahlen im Jahr 2006 sind Stimmen, dass der Ausgang verfassungswiedrig zu Gunsten Uribes beinflusst wurde, laut geworden.
Es sollte also zu einer zweiten Runde der Wahl kommen. Ausgetragen am 20. Juni 2010.
Um es kurz zu machen: es kam, wie es kommen musste. Antanas Mockus, Leuchtfeuer im stürmenden Meer der Korruption Kolumbiens ging mit 27,5 Prozent kläglich unter. Mit ihm versank die Aussicht auf den Aufbau eines kolumbianischen Rechtsstaats in den nächsten vier Jahren. Juan Manuel Santos gewann mit 68,9 Prozent der Stimmen und Kolumbien darf weitere Jahre der Falsos Positivos*, Korruption und Politik Uribes erleben.
Die Hoffnung auf eine von Weitsichtigkeit und Zukunftsorientierung geprägte Politik darf 2014 wohl wieder ausgepackt werden.
Dann, wenn wieder Wahlprogramme geschrieben und Brieftaschen gezückt werden.
*"Auf jeden Guerilla-Kämpfer, egal ob tot oder lebendig gefangen genommen, ist einer geheimen Armeedirektive zufolge ein Kopfgeld von umgerechnet 1300 Euro ausgesetzt. Dies führte dazu, dass bis zu 3000 Unschuldige ermordet und als gefallene Guerilla-Kämpfer ausgegeben wurden, in dem man ihnen beispielsweise einfach FARC-Uniformen angezogen hatte." (Aus Wikipedia der freien Enzyklopädie)
Diese Armeedirektive wurde vom damaligen Verteidigungsminister Juan Manuel Santos unterzeichnet. Erstaunlich war, dass besonders vor den Weihnachtsfeiertagen die Anzahl der ermordeten FARC-Mitglieder stieg. Dies hängt wohl damit zusammen, dass es zu den 1300 Euro auch noch ein paar zusätzliche freie Tage gab. Wer will zwischen Weihnachten und Neujahr nicht bei der Familie sein? Ein paar Unschuldige Tote mehr spielen dabei auch keine Rolle.
Der Focus hat Ende 2009 einen Artikel zum Thema der Falsos Positivos verfasst - Klicken um zum Artikel zu gelangen
Freitag, 18. Juni 2010
Lang ist es her...
Dass ich mich in den letzten Wochen nicht gemeldet hab, möchte ich mal mit dem Bau eines Hauses vergleichen. Bevor es so richtig losgehen kann muss man erstmal ein bisschen sparen. Jeden Monat Freunde und Angehörige über den eigenen Kontostand zu informieren ist weniger interessant. Wenn allerdings der Grundstein gelegt wird, dann will man jeden anrufen.
Ich habe es mir in der letzten Zeit gespart etwas zu schreiben... ;-)
Das soll nicht heißen, dass nichts passiert ist, ich war einfach nur damit beschäftigt Grundlagen zu legen und zu festigen, was bereits besteht.
Die Investigación hier in Bogotá haben wir in den letzten Tagen des verregneten Mais erfolgreich zu Ende gebracht. Aus der gesamten Zeit der Feldforschung könnte ich mittlerweile jede Menge lustige, traurige, bewegende Anekdoten erzählen. Ich habe mich allerdings darauf beschränkt meinen Abschlussbericht eher sachlich zu halten. Eine deutsche Übersetzung desselben sollte hier bald folgen.
Zur Zeit ist es so, dass ich mich in einer Phase des Wartens und Vorbereitens befinde. Hierbei handelt es sich weniger um den kolumbianischen Advent sondern vielmehr um die Fortsetzung der Investigación in zwei in der Nähe von Bogotá liegenden Dörfern. Für mich ist meine Teilnahme daran in zweierlei Hinsicht toll. Erstens zeigt es mir, dass meine Arbeit wirklich wertgeschätzt wird. Immerhin ist das Ganze mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand für meine Arbeitgeber verbunden. Auf der anderen Seite ist es so, dass ich dadurch die Möglichkeit erhalte mal so richtig und nicht nur für ein verlängertes Wochenende aus Bogotá rauszukommen. Es wird angenehm sein dem Verkehrschaos hier ein Weilchen entfliehen zu können und außerdem ziehe ich nach 5 Monaten Bogotá ein bisschen Hitze und Pool der "Kälte"* hier vor.
Nach einer Busfahrt von ca. 2 Stunden befindet man sich zwischen 2000 und 2400 Metern tiefer und es ist gleich 20 Grad wärmer. Auf der Hinfahrt bedeutet das, dass man bis zur Ankunft im Hotelzimmer ordentlich in langen Hosen und Schuhen schwitzt, auf der Rückfahrt friert man dafür umso mehr in Shorts und Flip-Flops.
Die Idee ist, dass wir uns von Mittwoch bis Sonntag in Melgar und Girardot aufhalten. Die anderen Tage sind wir dann in Bogotá um finanzielle Einzelheiten zu klären oder uns der liegengebliebenen Schreibarbeit zu widmen.
Wie genau das alles aussehen wird werde ich hoffentlich am Montag erfahren. Da soll die Capacitación (span. Befähigung) stattfinden. Allerdings ist das nicht das erste Mal, sie wurde bereits zweimal verschoben.
Ansonsten geht es mir abgesehen von einigen Kleinigkeiten eigentlich ganz gut. Der Eurowechselkurs ist gerade so schlecht, dass ich die Auswirkungen in meinem Portemonnaie** zu spüren bekomme und die WM macht natürlich nur halbsoviel Spaß wenn man morgens 6:30 Uhr allein vor dem Fernseher sitzt. Aber diese kleinen Unannehmlichkeiten nehme ich gerne in Kauf.
Urlaub habe ich immer noch nicht so richtig gemacht. Zum einen fehlt die Zeit. Ich will die Möglichkeiten, welche sich zur Zeit in der Fundación bieten einfach nicht verschenken und zum anderen bin ich weniger liquide als gedacht.
Aber was soll's... so lange ich mich auf den nächsten Tag freuen kann spielt das wohl kaum eine Rolle.
P.S.: Ich lese zur Zeit ein Buch. Bei der Lektüre ist mir eine lustige Eigenheit des Spanischen aufgefallen. Das Wort "esposas" benutzt man für zwei Dinge: Handschellen und Ehefrauen.
*Zur Erinnerung, Bogotá liegt in ca. 2500 Metern Höhe. Hier wird es selten wärmer als 20 Grad, zudem ist gerade soetwas wie Regenzeit/Winter. Das wissen die Bogotaner selber nicht so genau. Ab 18:30 ist es dunkel und ohne Sonne wird es hier ziemlich schnell kalt.
**Wenn ich ehrlich bin habe ich mein Portemonnaie nie dabei wenn ich das Haus verlasse. Zum einen brauche ich den meisten Kram nicht und mein Geld verteile ich lieber auf verschiedene Taschen und die Socken. Im Falle eines Überfalls greift man dann in seine Hose und verliert nicht zuviel von diesem lebensnotwendigen Übel.
Ich habe es mir in der letzten Zeit gespart etwas zu schreiben... ;-)
Das soll nicht heißen, dass nichts passiert ist, ich war einfach nur damit beschäftigt Grundlagen zu legen und zu festigen, was bereits besteht.
Die Investigación hier in Bogotá haben wir in den letzten Tagen des verregneten Mais erfolgreich zu Ende gebracht. Aus der gesamten Zeit der Feldforschung könnte ich mittlerweile jede Menge lustige, traurige, bewegende Anekdoten erzählen. Ich habe mich allerdings darauf beschränkt meinen Abschlussbericht eher sachlich zu halten. Eine deutsche Übersetzung desselben sollte hier bald folgen.
Zur Zeit ist es so, dass ich mich in einer Phase des Wartens und Vorbereitens befinde. Hierbei handelt es sich weniger um den kolumbianischen Advent sondern vielmehr um die Fortsetzung der Investigación in zwei in der Nähe von Bogotá liegenden Dörfern. Für mich ist meine Teilnahme daran in zweierlei Hinsicht toll. Erstens zeigt es mir, dass meine Arbeit wirklich wertgeschätzt wird. Immerhin ist das Ganze mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand für meine Arbeitgeber verbunden. Auf der anderen Seite ist es so, dass ich dadurch die Möglichkeit erhalte mal so richtig und nicht nur für ein verlängertes Wochenende aus Bogotá rauszukommen. Es wird angenehm sein dem Verkehrschaos hier ein Weilchen entfliehen zu können und außerdem ziehe ich nach 5 Monaten Bogotá ein bisschen Hitze und Pool der "Kälte"* hier vor.
Nach einer Busfahrt von ca. 2 Stunden befindet man sich zwischen 2000 und 2400 Metern tiefer und es ist gleich 20 Grad wärmer. Auf der Hinfahrt bedeutet das, dass man bis zur Ankunft im Hotelzimmer ordentlich in langen Hosen und Schuhen schwitzt, auf der Rückfahrt friert man dafür umso mehr in Shorts und Flip-Flops.
Die Idee ist, dass wir uns von Mittwoch bis Sonntag in Melgar und Girardot aufhalten. Die anderen Tage sind wir dann in Bogotá um finanzielle Einzelheiten zu klären oder uns der liegengebliebenen Schreibarbeit zu widmen.
Wie genau das alles aussehen wird werde ich hoffentlich am Montag erfahren. Da soll die Capacitación (span. Befähigung) stattfinden. Allerdings ist das nicht das erste Mal, sie wurde bereits zweimal verschoben.
Ansonsten geht es mir abgesehen von einigen Kleinigkeiten eigentlich ganz gut. Der Eurowechselkurs ist gerade so schlecht, dass ich die Auswirkungen in meinem Portemonnaie** zu spüren bekomme und die WM macht natürlich nur halbsoviel Spaß wenn man morgens 6:30 Uhr allein vor dem Fernseher sitzt. Aber diese kleinen Unannehmlichkeiten nehme ich gerne in Kauf.
Urlaub habe ich immer noch nicht so richtig gemacht. Zum einen fehlt die Zeit. Ich will die Möglichkeiten, welche sich zur Zeit in der Fundación bieten einfach nicht verschenken und zum anderen bin ich weniger liquide als gedacht.
Aber was soll's... so lange ich mich auf den nächsten Tag freuen kann spielt das wohl kaum eine Rolle.
P.S.: Ich lese zur Zeit ein Buch. Bei der Lektüre ist mir eine lustige Eigenheit des Spanischen aufgefallen. Das Wort "esposas" benutzt man für zwei Dinge: Handschellen und Ehefrauen.
*Zur Erinnerung, Bogotá liegt in ca. 2500 Metern Höhe. Hier wird es selten wärmer als 20 Grad, zudem ist gerade soetwas wie Regenzeit/Winter. Das wissen die Bogotaner selber nicht so genau. Ab 18:30 ist es dunkel und ohne Sonne wird es hier ziemlich schnell kalt.
**Wenn ich ehrlich bin habe ich mein Portemonnaie nie dabei wenn ich das Haus verlasse. Zum einen brauche ich den meisten Kram nicht und mein Geld verteile ich lieber auf verschiedene Taschen und die Socken. Im Falle eines Überfalls greift man dann in seine Hose und verliert nicht zuviel von diesem lebensnotwendigen Übel.
Sonntag, 9. Mai 2010
Es sind die ganzen kleinen Dinge
Als morgens mein Wecker klingelt, weiß ich für einen Moment nicht wo ich bin. Das Bett fühlte sich nicht an wie gewöhnlich und das Gedudel konnte unmöglich von meinem Handy kommen. Nachdem ich mir den Schlaf aus den Augen gerieben habe weiß ich wieder was los ist. Gestern haben wir nur bis kurz vor 23:00 Uhr gearbeitet. Da keiner von uns in den letzten Wochen abends besonders viel Zeit hatte um etwas mit Freunden zu machen sind wir danach noch in eine Bar gegangen. Merkwürdig wenn man an einem Samstag etwas trinken kann ohne über Prostitution sprechen zu müssen. Nachts gibt es keine Busse und wir waren soweit im Norden, dass mich eine Taxifahrt gute 25.000 Pesos gekostet hätte. Das Angebot in der Wohnung einer Kollegin zu übernachten nahm ich ohne Umschweife dankbar an. Ich bin nicht grad mit Geld gesegnet in diesen Tagen.
Jetzt lag ich also im Bett ihres kleinen Bruders. Er war übers Wochenende irgendwo in Kolumbien unterwegs. Wo genau und warum hatte ich nicht verstanden.
Als ich den Wecker ausschalten will sehe ich, dass es tatsächlich mein Handy ist. Es ist neu. Mein Altes wurde mir vor 3 Tagen oder besser Nächten geklaut. Auf der Suche nach Minderjährigen, Ausländern oder anderem, das irgendwie von Interesse sein konnte war es spät geworden. Wir wollten grad nach Hause. Auf dem Weg zur Septima* kam uns ein Paar entgegen. Beide höchstens Siebzehn. Plötzlich hielt mir der Junge mit zitternder Hand ein Messer vors Gesicht. Ich war nicht allein, sondern in weiblicher Begleitung. Nicht wissend wie schnell meine Partnerin laufen konnte zog ich es vor ruhig zu bleiben. 25 Sekunden später, um zwei Handys und 30.000 Pesos erleichtert waren wir wieder allein.
Ich hatte mich grad an meine Weckermelodie gewöhnt.
Als ich nun endgültig wach bin steh' ich auf um das Badezimmer zu suchen. Hübsche Wohnung. Aus der Küche weht mir der Geruch von Waffeln, heißem Kaffee und Rührei entgegen. Kurze Zeit später sitze ich frisch geduscht an einem großen Glastisch, durch das Fenster strahlt die Sonne und aus den kleinen IPod-Boxen dringt die Musik von Manu Chao. Das Leben ist so angenehm.
Als wir gehen fällt mir die ungewöhnliche Form und Größe des Haustürschlüssels auf. Ich frage was es damit auf sich hat und erhalte eine knappe Erklärung. Die Haustür hat ein Sicherheitsschloss und ist ohne Schlüssel oder Gewalt nicht zu öffnen.
Als wir das Tor passieren um auf die ruhige Staße zu treten erkundige ich mich naiv, ob die Wachen vor dem Eingang für die etwa 50 Appartments nicht ausreichen. In diesem Land geben manche Menschen ihre Stimme einem Präsidentschaftskandidaten für ein warmes Mittagessen. Da kann man auch private Security für etwas bezahlen. Das genügt mir als Antwort. In dem Moment erinnere ich mich, dass man für meine Tür zwei Schlüssel simultan benutzen muss. Trotz der Wachen vor dem Tor.
Auf dem kurzen Weg zur Boyacá** werden wir zweimal nach Kleingeld gefragt. Beim ersten Mal gebe ich etwas. Beim zweiten Mal habe ich keine Münzen mehr.
Als ich schließlich im Bus nach Hause sitze, spüre ich den warmen Wind auf meiner Haut. Ich betrachte gedankenverloren das Bild auf meinem Wechselgeld und denke an das neue Handy und die 2 Schlüssel in meiner Tasche.
Es sind die ganzen kleinen Dinge, die die wirklich großen Unterschiede machen.
* eine der Hauptverkehrsstraßen im Osten Bogotás die von Norden nach Süden verläuft
** viel befahrene Straße im Westen der Stadt, verläuft in Nord-Süd Richtung
Jetzt lag ich also im Bett ihres kleinen Bruders. Er war übers Wochenende irgendwo in Kolumbien unterwegs. Wo genau und warum hatte ich nicht verstanden.
Als ich den Wecker ausschalten will sehe ich, dass es tatsächlich mein Handy ist. Es ist neu. Mein Altes wurde mir vor 3 Tagen oder besser Nächten geklaut. Auf der Suche nach Minderjährigen, Ausländern oder anderem, das irgendwie von Interesse sein konnte war es spät geworden. Wir wollten grad nach Hause. Auf dem Weg zur Septima* kam uns ein Paar entgegen. Beide höchstens Siebzehn. Plötzlich hielt mir der Junge mit zitternder Hand ein Messer vors Gesicht. Ich war nicht allein, sondern in weiblicher Begleitung. Nicht wissend wie schnell meine Partnerin laufen konnte zog ich es vor ruhig zu bleiben. 25 Sekunden später, um zwei Handys und 30.000 Pesos erleichtert waren wir wieder allein.
Ich hatte mich grad an meine Weckermelodie gewöhnt.
Als ich nun endgültig wach bin steh' ich auf um das Badezimmer zu suchen. Hübsche Wohnung. Aus der Küche weht mir der Geruch von Waffeln, heißem Kaffee und Rührei entgegen. Kurze Zeit später sitze ich frisch geduscht an einem großen Glastisch, durch das Fenster strahlt die Sonne und aus den kleinen IPod-Boxen dringt die Musik von Manu Chao. Das Leben ist so angenehm.
Als wir gehen fällt mir die ungewöhnliche Form und Größe des Haustürschlüssels auf. Ich frage was es damit auf sich hat und erhalte eine knappe Erklärung. Die Haustür hat ein Sicherheitsschloss und ist ohne Schlüssel oder Gewalt nicht zu öffnen.
Als wir das Tor passieren um auf die ruhige Staße zu treten erkundige ich mich naiv, ob die Wachen vor dem Eingang für die etwa 50 Appartments nicht ausreichen. In diesem Land geben manche Menschen ihre Stimme einem Präsidentschaftskandidaten für ein warmes Mittagessen. Da kann man auch private Security für etwas bezahlen. Das genügt mir als Antwort. In dem Moment erinnere ich mich, dass man für meine Tür zwei Schlüssel simultan benutzen muss. Trotz der Wachen vor dem Tor.
Auf dem kurzen Weg zur Boyacá** werden wir zweimal nach Kleingeld gefragt. Beim ersten Mal gebe ich etwas. Beim zweiten Mal habe ich keine Münzen mehr.
Als ich schließlich im Bus nach Hause sitze, spüre ich den warmen Wind auf meiner Haut. Ich betrachte gedankenverloren das Bild auf meinem Wechselgeld und denke an das neue Handy und die 2 Schlüssel in meiner Tasche.
Es sind die ganzen kleinen Dinge, die die wirklich großen Unterschiede machen.
* eine der Hauptverkehrsstraßen im Osten Bogotás die von Norden nach Süden verläuft
** viel befahrene Straße im Westen der Stadt, verläuft in Nord-Süd Richtung
Donnerstag, 29. April 2010
Die Uhr tickt... erstes Viertel um.
Da wir im Rahmen der "welwärts" Förderung einige Berichte verfassen müssen und diese vielleicht nicht nur für das BMZ interessant sind, möchte ich an dieser Stelle den ersten von drei Zwischenberichten veröffentlichen. Er bietet nicht besonders viel Stoff zum Nachdenken und ist auch nicht gespickt von kleinen Anekdoten, stellt aber vielleicht eine interessante Zusammenfassung der letzten drei Monate dar.
Vor etwa drei Monaten, in der Zeit kurz vor meiner Ausreise versuchte ich mich stets daran zu erinnern meine Erwartungen nicht zu hoch zu stecken. Da die Projektbeschreibung der Fundación Renacer mehr als dürftig war wusste ich nur grob was meine Aufgabe für das nächste Jahr sein sollte. Ich ging davon aus mich mit der Betreuung von einigen Kindern abfinden zu müssen. Nicht das, was ich wollte aber mit Sicherheit das Gebiet, in dem ich in den letzten Jahren in Deutschland eine Menge Erfahrung gesammelt hatte. Außerdem hoffte ich meine Spanischkenntnisse schnell soweit auszubauen, dass eine Unterhaltung mit Einheimischen möglich ist.
In den ersten Wochen und Monaten kommt mir als Ausgleich zum fehlenden Spanisch die gewissenhafte Vorbereitung des ICJA (Entsendeorganisation) zugute. Vor allem von theoretischen Einheiten, zum Beispiel über das Eisbergmodell der Kulturen (nach Robert Kohls), konnte ich profitieren. Missverständnisse möglichst schnell aus dem Weg zu räumen oder versuchen den anderen zu verstehen, ohne sich auf den selben kulturellen Hintergrund berufen zu können, waren unter anderem die größten Herausforderungen in diesen Tagen.
Nach Beendigung des Spanischstunden wusste ich immerhin mehr als Nichts. Von meinem Ziel war ich allerdings noch sehr weit entfernt.
Anschließend sollte es mit der Arbeit in den Projekten losgehen. Meine Erwartungen waren äußerst gering und das Interesse ein weiteres Jahr mit Kinder und Jugendlichen zu arbeiten hielt sich deutlich in Grenzen. Nicht, dass es keinen Spaß macht aber ich dachte mir, es wäre doch eigentlich mal an der Zeit etwas anderes kennen zu lernen. In meinen ersten Tagen in der Fundación Renacer wurde mir schnell klar warum die Projektbeschreibung so dürftig war. Es gab einfach zu viel über das man hätte berichten können. Die Fundación Renacer hat es sich seit 1988 zur Aufgabe gemacht kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen in ganz Kolumbien zu bekämpfen. Zu den drei großen Aufgabenbereichen gehören: Prävention (z.B. Aufklärung von Touristen in beliebten Urlaubszielen), umfassende Betreuung der Opfer (z.B. Heimunterbringung und Therapie) und Untersuchung des Sachverhaltes (z.B. allg. Untersuchungen zu Opferzahlen oder auch konkretes wie: auf welche Art geschieht Kontaktaufnahme, in welchen Clubs und Bars findet Prostitution von Minderjährigen statt,...).
Z. Z. werden verschiedene Programme in den Städten Bogotá, Cartagena, Barranquilla und Arauca entwickelt und durchgeführt. Bei der Fülle an verschiedenen Aufgabenbereichen und Projekten ist es schwer auf einer A4-Seite konkret zu werden.
Im Grunde kann ich sagen, dass die Fundación mich mit offenen Armen empfangen hat. Auch wenn ich mich nur langsam auf diese offenen Arme zubewegen wollte. Die Idee war, dass ich die ersten drei Wochen in einem Heim zur permanenten Unterbringung von minderjährigen Opfern arbeitete. Hier gab es eine andere Freiwillige die mich in die Arbeit einführen konnte. Zudem schätze ich die Möglichkeit drei weitere Wochen zum Ausbau meiner Sprachkenntnisse zu haben bevor es ernst werden sollte.
Die Arbeit in diesen Wochen war weniger interessant. Das hingegen, was mir die Kindern erzählen konnten weckte meine Aufmerksamkeit. Ich war viel damit beschäftigt einfach nur an Talleres (Unterrichtseinheit zur Vermittlung von Sach- und Orientierungswissen) teilzunehmen und grundlegende Abläufe kennen zu lernen.
Im Anschluss an diese Wochen begann ich meine eigentliche Arbeit im Ambulatorio. Hier leben die Kindern nicht ständig sondern kommen nur tagsüber um an Talleres teilzunehmen, zu essen und nicht den Risiken ihres Wohnviertels oder der Straße ausgesetzt zu sein. Die Koordinatorin ist eine fähige Frau, die mich innerhalb kürzester Zeit in die Tagesabläufe einzubinden wusste. Meine Aufgaben waren es Talleres zu begleiten oder selbst durchzuführen. Da mein Interesse mich immer wieder dazu anhielt nach weiteren Herausforderungen zu suchen, fragte ich in welchen Bereichen ich außerdem tätig werden könnte. Neben den Workshops bin ich nun für alles verantwortlich, was mit den täglichen Finanzen des Ambulatorio verbunden ist (Abrechnungen schreiben, Bargeld auszahlen, …), besuche die Kinder, die länger nicht mehr da waren einmal wöchentlich in ihren Wohnungen um mit ihnen zu reden und werde außerdem immer stärker in andere administrative Aufgaben eingebunden (wie z.B. das Verwalten und Aktualisieren der Akten der Kinder oder die Dokumentation persönlicher Entwicklungen).
Zur Zeit habe ich das Glück in einem zeitlich begrenzten Projekt mitzuarbeiten, das in Zusammenarbeit mit der Fundación Esperanza und der Unterstützung der kolumbianischen Regierung versucht Sextourismus mit minderjährigen Opfern in Bogotá zu untersuchen. Meine Aufgabe ist es hierbei verdeckt Clubs und Bars aufzusuchen um mit den Jugendlichen, Informanten, Zuhältern oder Touristen Befragungen durchzuführen. Natürlich nicht mit der Absicht meine Identität oder wahren Absichten preiszugeben. Das Team mit dem ich arbeite ist sehr professionell und es macht Spaß neue Methoden in der Praxis kennenzulernen.
Zurückblickend auf die letzten Monate muss ich sagen, dass die Arbeit in der Fundación Renacer deutlich interessanter und vielfältiger ist, als das von mir erwartete und glücklicherweise nicht eingetretene Aufpassen auf Kinder und Jugendliche.
Neben der Arbeit durfte ich natürlich auch jede Menge spannende Erfahrungen machen. Zum Beispiel, dass Familie anders ist als in Deutschland. Die meisten Kinder leben hier bis sie etwa 30 Jahre alt sind bei ihren Eltern. Das kann manchmal deutlich anstrengender sein als das WG-Leben gleich nach dem Abi. Außerdem reicht mein Spanisch mittlerweile aus, um eine normale Unterhaltung zu führen. Da fällt es deutlich leichter in den kolumbianischen Alltag neben Arbeit und Familie einzutauchen.
Was schade war, ist die Tatsache, dass viele von uns Ausländern und davon will ich mich nicht ausschließen, mit einem falschen Bild nach Kolumbien gekommen sind. Dieses Land hat in seiner Gesamtheit sicher gravierendere Probleme als andere Staaten in Südamerika aber eine Stadt wie Bogotá ist deshalb nicht gefährlicher als Sao Paulo oder Buenos Aires. Der Großteil der Menschen ist freundlich und zeigt ehrliches Interesse an mir als Person und nicht nur an meiner Brieftasche. Natürlich gibt es Viertel, in denen man vor allem Nachts nicht unbedingt allein durch die Straßen gehen sollte aber in den Medien wird ein deutlich übertriebenes Bild gezeichnet. Ein Glück, das ich die Möglichkeit hatte dies mit der Wirklichkeit in Übereinstimmung zu bringen.
Was schade war, ist die Tatsache, dass viele von uns Ausländern und davon will ich mich nicht ausschließen, mit einem falschen Bild nach Kolumbien gekommen sind. Dieses Land hat in seiner Gesamtheit sicher gravierendere Probleme als andere Staaten in Südamerika aber eine Stadt wie Bogotá ist deshalb nicht gefährlicher als Sao Paulo oder Buenos Aires. Der Großteil der Menschen ist freundlich und zeigt ehrliches Interesse an mir als Person und nicht nur an meiner Brieftasche. Natürlich gibt es Viertel, in denen man vor allem Nachts nicht unbedingt allein durch die Straßen gehen sollte aber in den Medien wird ein deutlich übertriebenes Bild gezeichnet. Ein Glück, das ich die Möglichkeit hatte dies mit der Wirklichkeit in Übereinstimmung zu bringen.
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